BGH, Az.: VI ZR 55/95,Urteil vom 30.04.1996
Leitsätze:
1. Der Schädiger hat für seelisch bedingte Folgeschäden einer Verletzungshandlung, auch wenn sie auf einer psychischen Anfälligkeit des Verletzten oder sonstwie auf einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen, haftungsrechtlich grundsätzlich einzustehen.
Symbolfoto: kadmy/bigstockEine Zurechnung kommt nur dann nicht in Betracht, wenn das Schadensereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle) und nicht gerade speziell auf die Schadensanlage des Verletzten trifft.
2. Bei der Festsetzung des für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes sind dem Richter im Rahmen des ZPO § 308 durch die Angabe eines Mindestbetrages oder einer Größenordnung nach oben keine Grenzen gezogen.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 21. Dezember 1994 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am 25. August 1983 in G. geltend, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners einzustehen hat.
Bei dem Zusammenstoß mit dem Pkw des Versicherungsnehmers der Beklagten, welcher aus der Gegenrichtung kommend vor ihm nach links abbog, erlitt der damals 46jährige, als technischer Fernmeldeamtmann bei der Bundespost tätige Kläger folgende Verletzungen: Hals- und Brustwirbelsäulenprellungen mit einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule, eine Brustkorbquetschung und Stoßverletzung des Brustbeins, eine Schädelprellung links, ein stumpfes Bauchtrauma mit Buckelung des Zwerchfells rechts, Knieprellungen und eine Distorsion des rechten Handgelenks.
Der Kläger, der sich schon in den Jahren 1965 bis 1982 bei 8 Unfällen Verletzungen zugezogen hatte, war seit dem Unfalltag nahezu durchgehend krankgeschrieben. Mehrere stationäre Aufenthalte in verschiedenen Kliniken brachten keine spürbare Besserung seines Zustands. Er litt insbesondere unter Schmerzen im Brust-, Bauch- und Rückenbereich. Vom Betriebsarzt der Bundespost wurde der Kläger schließlich dienstunfähig geschrieben und daraufhin mit Wirkung vom 1. November 1985 in den Ruhestand versetzt.
Mit der Behauptung, er[…]