Zusammenfassung: Ist die Vernehmung einer Beschuldigten, die 38 Stunden nicht geschlafen hat und innerhalb dieser 38 Studen ein Kind geboren hat, zulässig? Ist ein Geständnis, welches im Rahmen der Vernehmung abgelegt wird, verwertbar? Zur verbotenen Vernehmungsmethode der Ermüdung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Willensbildungsfreiheit äußerte sich der Bundesgerichtshof im anliegenden Beschluss.
Bundesgerichtshof
Az: 5 StR 296/14
Beschluss vom 21.10.2014
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. November 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil sie im Zustand der Ermüdung polizeilich vernommen worden sei. Der Beanstandung kann der Erfolg nicht versagt werden. Das polizeiliche Geständnis vom 10. Dezember 2012 hätte nicht verwertet werden dürfen, weil es unter Verletzung des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO zustande gekommen ist (§ 136a Abs. 3 Satz 2 StPO).
a) Bei Beginn der zum Geständnis führenden Vernehmung um 21.25 Uhr hatte die 23 Jahre alte Angeklagte ausweislich der Urteilsfeststellungen mindestens 38 Stunden nicht geschlafen. In den frühen Morgenstunden des 10. Dezember 2012 hatte sie nach verheimlichter Schwangerschaft allein und dementsprechend unter sehr schwierigen Umständen einen Jungen geboren, den sie aufgrund eines spontanen Entschlusses dann erstickte. Sie erlitt beträchtlichen Blutverlust und war körperlich wie seelisch entkräftet. Bei einem Toilettengang gegen 8.00 Uhr brach sie ohnmächtig zusammen. Ein weiterer körperlicher Zusammenbruch folgte kurze Zeit später. Ihre Mutter fand die Angeklagte gegen Mittag apathisch und w[…]