BAG
Az.: 2 AZR 154/93
Urteil vom 26.08.1993
Leitsätze:
1. Ist ein Arbeitnehmer während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit schichtweise einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgegangen, so kann je nach den Umständen auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.
2. Ist in derartigen Fällen der Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttert bzw entkräftet, so hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, weshalb er krankheitsbedingt gefehlt hat und trotzdem der Nebenbeschäftigung nachgehen konnte.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. November 1992 – 7 Sa 17/91 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 5. Juli 1990 und die Frage, ob der Kläger die ihm gewährte Lohnfortzahlung für die Zeit vom 8. bis 18. Mai 1990 zurückzahlen muß.
Der Kläger arbeitete bei der Beklagten, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit 1. November 1987. Zuletzt führte er Schlosserarbeiten durch. Die Beklagte entlackt für die M AG sogenannte Karosserieschlitten und überprüft sie auf ihre Maßgenauigkeit. Werden bei den Maßen Abweichungen festgestellt, so werden sie von der Beklagten behoben. Diese Tätigkeit hatte der Kläger vorzunehmen. Er mußte die Karosserieschlitten mit Hilfe eines Krans auf die Richtbank befördern. Wurden Ungenauigkeiten festgestellt, mußte er die Teile mit Hammerschlägen bearbeiten und sie mit einem Schweißbrenner erhitzen. Die Teile dehnen sich bei dieser Behandlung aus. Beim „Abkalten“ erhält das vorher verbogene Teil wieder seine ursprüngliche Form. Der Kläger arbeitete in einer 40-Stunden-Woche an fünf Wochentagen mit einer Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 16.15 Uhr.
Für die Zeit vom 8. Januar bis 19. Januar 1990, vom 5. März bis 16. März 1990, vom 8. Mai bis 18. Mai 1990 und vom 25. Juni bis 3. Juli 1990 legte der Kläger der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Die Beklagte gewährte ihm u.a. für die Zeit vom 8. bis 18. Mai 1990 Lohnfortzahlung in Höhe von 1.282,72 DM […]