LAG Baden-Württemberg – Az.: 10 Sa 62/21 – Urteil vom 16.2.2022
Leitsätze
§ 9 BUrlG findet keine analoge Anwendung, wenn ein nicht arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer Quarantäneanordnung des Gesundheitsamtes nach einem Kontakt mit einer mit COVID-19 infizierten Person die Wohnung nicht verlassen darf. Der Urlaubsanspruch eines solchen Arbeitnehmers wird vielmehr im Umfang des vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs erfüllt, und das Urlaubsguthaben des Arbeitnehmers verringert sich um die entsprechenden Tage.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm – Kammern Ravensburg – vom 9. Juli 2021 – 6 Ca 597/20 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger nur bezogen auf die analoge Anwendung des § 9 BUrlG zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Folgen einer Quarantäneanordnung für bewilligten Urlaub.
Der Kläger war im gesamten Kalenderjahr 2020 bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer in der Produktion beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte am 19. März 2020 für den 17. und 18. September 2020 Urlaub. Die Zahlung des Urlaubsentgeltes sagte sie vorbehaltlos zu.
Nach einem Protokoll des Landratsamtes über das „Anamnese-Gespräch enge Kontaktperson (KP1)“ vom 15. September 2021 (Anlage BK1, Bl. 37 ff. der Berufungsakte) fand an diesem Tag ein Telefonat mit dem Kläger statt und es wurde mündlich Quarantäne angeordnet. Im Rahmen der Gesprächsdokumentation (Anlage BK1, S. 4 des Protokolls, Bl. 40 der Berufungsakte) wurde Folgendes festgehalten:
„Arbeitskollege vom Indexfall. Waren am 14.09.2020 und 15.09.2020 gemeinsam auf Arbeit. Herr F. wurde genau zu seinen Kontakten mit dem Index gefragt. Der Kontakt überschritt kumulativ 15 Minuten, dies wurde auch nochmals mit ärztlicher Rücksprache versichert. (…)“
Dem Telefonat folgte ein Schreiben vom 17. September 2020, in dem das Ordnungsamt für den Kläger bis zum 29. September 2020 häusliche Quarantäne anordnete (Anl. K1, Bl. 5 der erstinstanzlichen Akte). In der Begründung war ausgeführt, der Kläger habe zuletzt am 15. September 2[…]