BUNDESARBEITSGERICHT
Az.: 2 AZR 472/01
Urteil vom 10.10.2002
Leitsätze
Das Tragen eines – islamischen – Kopftuchs allein rechtfertigt regelmäßig noch nicht die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen nach § 1 Abs 2 KSchG.
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Juni 2001 – 3 Sa 1448/00 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 13. April 2000 – 3 Ca 293/99 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. August 1999 nicht aufgelöst worden ist.
3. Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin.
Die am 29. November 1970 in der Türkei geborene Klägerin begann am 1. August 1989 bei der Beklagten eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau und war seit deren Abschluß als Verkäuferin beschäftigt.
Die Beklagte betreibt in S. ein Kaufhaus mit einer Verkaufsfläche von ca. 9.000 qm. Ihr Warensortiment besteht ua. aus Modeartikeln, sog. Accessoires, Spielsachen, Schmuck, Kosmetika, Schreib-, Leder- und Süßwaren. Lebensmittel werden nicht angeboten. Die Beklagte beschäftigt im Verkauf ca. 85 Arbeitnehmer, im Verwaltungsbereich 8 Arbeitnehmer, in der Warenannahme 2 Arbeitnehmer und mit Hausmeisteraufgaben 3 Mitarbeiter.
Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes vom 15. April 1996 bis zum 26. Mai 1999 erneut im Erziehungsurlaub. Anfang Mai 1999 teilte sie der Beklagten mit, sie werde bei der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit künftig ein Kopftuch tragen. Ihre religiösen Vorstellungen hätten sich gewandelt, ihr moslemischer Glaube verbiete es ihr, sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zu zeigen. Die Personalleitung der Beklagten widersprach einem Einsatz mit Kopftuch und räumte der Klägerin eine Bedenkzeit ein. Die Klägerin blieb auch nach ei[…]