BUNDESFINANZHOF
Az.: VII R 46/05
Urteil vom 19.12.2006
Leitsätze:
1. Die Finanzbehörden sind grundsätzlich berechtigt, von einer Rechtsanwaltskammer Auskünfte über für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte eines Kammermitglieds einzuholen; die Vorschriften der Berufsordnung über die Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstandes stehen dem nicht entgegen.
2. Ein solches Auskunftsersuchen ist auch im Vollstreckungsverfahren zulässig.
3. Es ist nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar, wenn das FA für Zwecke der Zwangsvollstreckung eine Rechtsanwaltskammer zur Auskunft über die Bankverbindung eines Kammermitglieds auffordert, sofern diesbezügliche Aufklärungsbemühungen beim Vollstreckungsschuldner erfolglos waren.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Rechtsanwaltskammer, gerichteten Auskunftsersuchens zur Nennung der Bankverbindung eines ihrer Mitglieder.
Das FA hat Steuerforderungen gegen den Steuerpflichtigen, einen Rechtsanwalt, in Höhe von ca. 3 400 EUR. Dieser war Mitglied der Klägerin. Nachdem das FA vergeblich versucht hatte, seine Forderungen durch Vollstreckungsmaßnahmen beizutreiben, forderte es die Klägerin im Juli 2004 auf, die Bankverbindung des Steuerpflichtigen mitzuteilen, über die dieser seine Kammerbeiträge entrichte. Diesbezügliche Anfragen beim Steuerpflichtigen seien erfolglos geblieben.
Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 778 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie sei durch die Vorschriften der für sie einschlägigen Berufsordnung (§ 76 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung –BRAO–) gehindert, die vom FA begehrte Auskunft zu erteilen. Die Vorschrift verpflichte nach ihrem Wortlaut den Kammervorstand und Angestellte der Kammer ohne Ausnahme zur Verschwiegenheit. Diese Verpflichtung werde nur für das gerichtliche Verfahren dahingehend eingeschränkt[…]