BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Az.: 1 BvR 1002/01
Beschluss vom 16.8.2001
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 15. Juni 2001 – 2 T 220/01 – und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 16. August 2001 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 15. Juni 2001 – 2 T 220/01 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Bis zur erneuten Entscheidung des Landgerichts über den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 765 a ZPO bleibt die Zwangsvollstreckung ausgesetzt.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung von Räumungsschutz nach § 765 a ZPO wegen Suizidgefahr.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Restaurants. Zum Betrieb dieser Gaststätte mietete er auf einem Nachbargrundstück befindliche, mit dem Hauptgebäude verbundene Nebenräume an, in denen sich unter anderem die Toilettenanlage befindet.
Die Vermieterin der Nebenräume, Frau M., kündigte im Dezember 1999 das Mietverhältnis fristlos mit der Begründung, der Beschwerdeführer befinde sich mit dem Mietzins in Zahlungsrückstand. Im März 2000 verkaufte sie das in ihrem Eigentum stehende Grundstück an die Firma B.
Auf die Klage der Frau M. hin verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer, die Geschäfts- und Nebenräume zu räumen und an die Firma B. herauszugeben. Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht zurück, über die eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.
2. Am 12. März 2001 beantragte der Beschwerdeführer beim zuständigen Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – unter Vorlage fachärztlicher Atteste, die von Frau M. aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts betriebene Zwangsvollstreckung gemäß § 765 a ZPO bis zum Abschluss der Revisionsinstanz vorläufig einzustellen, da bei ihm im Falle der Zwangsräumung eine erhebliche Suizidgefahr bestehe.
a) Das Amtsgericht stellte zunächst die Zwangsvollstreckung einstweilen ein und holte ein amtsärztlich-psychiatrisches Gutachten des städtischen Gesu[…]