Postmortale Vollmacht und Vermächtnis: Ein komplexer Erbfall entschlüsselt
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat am 10. Mai 2023 ein Urteil gefällt, das sich mit der komplexen Thematik der postmortalen Vollmacht und der Annahme eines Vermächtnisses in einer Erbengemeinschaft befasst. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Miterbe, der durch eine postmortale Vollmacht legitimiert ist, ein ihm als Vermächtnis zugesprochenes Grundstück veräußern und den Kaufpreis für sich selbst vereinnahmen darf. Die Kläger, Mitglieder der Erbengemeinschaft, hatten den Beklagten auf Herausgabe des Kaufpreises verklagt, da sie der Meinung waren, dass dieser den Verkaufserlös nicht für sich behalten dürfe.
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Die Rolle der postmortalen Vollmacht
Der Beklagte hatte von der Erblasserin eine sogenannte postmortale Vollmacht erhalten, die ihm erlaubte, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, auch nach ihrem Tod. Diese Vollmacht beinhaltete auch die Befugnis, Grundstücke zu veräußern. Nach dem Tod der Erblasserin verkaufte der Beklagte ein Grundstück und wies den Käufer an, den Kaufpreis auf sein eigenes Konto zu überweisen. Das Gericht sah in diesem Vorgehen die Annahme des Vermächtnisses und die berechtigte Erfüllung des ihm infolgedessen ersatzweise angefallenen Zahlungsanspruchs gegen den Grundstückserwerber.
Vermächtnis und dessen Annahme
Die Erblasserin hatte in einem Erbvertrag festgelegt, dass das besagte Grundstück dem Beklagten als Vermächtnis zufallen sollte. Der Beklagte war zudem zum Testamentsvollstrecker berufen worden. Das Gericht stellte fest, dass die Veräußerung des Grundstücks und die Anweisung, den Kaufpreis auf sein eigenes Konto zu überweisen, als Annahme des Vermächtnisses zu werten sei. Dies galt auch, wenn der Beklagte die Transaktion im Namen der Erbengemeinschaft und nicht als Testamentsvollstrecker durchgeführt hatte.
Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen
Ein weiterer Streitpunkt war die Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen. Die Kläger hatten von der Erblasserin zu Lebzeiten Grundstücke geschenkt bekommen und forderten nun vom Beklagten eine Ausgleichszahlung. Der Beklagte rechnete jedoch mit angeblichen Forderungen aus Schuldscheinen auf. Das Gericht wies die Berufung der Kläger zurück und entschied, dass die Kosten des Berufungsverfahrens den Klägern zur Last fallen.
Keine Revision zugelassen[…]