Testamentarische Fähigkeit bei Demenz: Eine Analyse der Beweislast und Feststellungsanforderungen
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befasste sich in einem Beschluss vom 29.01.2020 mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine demenziell bedingte Testierunfähigkeit angenommen werden kann. Im Mittelpunkt stand die Erblasserin, die in einem kritischen gesundheitlichen Zustand ins Städtische Krankenhaus Kiel eingeliefert wurde. Dort wurde bei ihr eine Demenzdiagnostik durchgeführt.
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Diagnose und Symptome der Erblasserin
Die Erblasserin zeigte während ihrer Zeit im Krankenhaus deutliche Anzeichen einer geistigen Beeinträchtigung. Sie war oft desorientiert, verlor den roten Faden in Gesprächen und reagierte aggressiv auf Hilfestellungen. Ärztliche Untersuchungen bestätigten die Diagnose „Demenz“. Ein Sachverständiger wies darauf hin, dass trotz der demenziellen Entwicklung die Erblasserin aufgrund ihres früheren intellektuellen und bildungstechnischen Niveaus immer noch über differenzierte Denk- und Handlungsfähigkeiten verfügen könnte.
Frage der Testierfähigkeit
Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist jemand testierunfähig, wenn er aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung zu erkennen und danach zu handeln. In diesem Fall wurde festgestellt, dass die Erblasserin aufgrund ihrer demenziellen Entwicklung und der damit verbundenen Beeinträchtigung des Gehirns seit Februar 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in der Lage war, Geschäfte abzuschließen oder Testamente zu verfassen.
Widersprüchliche Beobachtungen
Trotz der klaren Diagnose und den offensichtlichen Symptomen der Erblasserin gab es auch Zeugenaussagen, die ihr normales Verhalten beschrieben. Diese Zeugenaussagen stellten jedoch nicht die anderen Berichte von beobachteten Auffälligkeiten oder Symptomen in Frage. Es wurde argumentiert, dass selbst bei normalem Verhalten gröbste intellektuelle und affektive Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können.
Schlussfolgerung des Gerichts
Nach sorgfältiger Prüfung aller vorliegenden Beweise und Zeugenaussagen kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung aller drei Testamente testierunfähig war. Die Diagnose einer demenziellen Entwicklung und die damit verbundenen Symptome waren ausschl[…]