BUNDESARBEITSGERICHT
Az.: 2 AZR 812/05
Urteil vom 09.11.2006
Leitsätze:
1. Nimmt der Arbeitgeber die Sozialauswahl allein durch Vollzug eines zulässigen Punktesystems vor, so kann er auf die Rüge nicht ordnungsgemäÃer Sozialauswahl mit Erfolg einwenden, der gerügte Auswahlfehler habe sich auf die Kündigungsentscheidung nicht ausgewirkt, weil der Arbeitnehmer nach der Punktetabelle auch bei Vorliegen des Auswahlfehlers zur Kündigung angestanden hätte (Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung, vgl. BAG 18. Oktober 1984 – 2 AZR 543/83 – BAGE 47, 80; 18. Januar 1990 – 2 AZR 357/89 – BAGE 64, 34).
2. Ein Punktesystem zur Gewichtung der Sozialdaten muss nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung keine individuelle Abschlussprüfung vorsehen.
3. Die ordnungsgemäÃe Durchführung des nach § 95 Abs. 1 BetrVG für das Punktesystem erforderlichen Mitbestimmungsverfahrens ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung, die unter Anwendung des Systems erfolgt ist.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28.ãJuli 2005 -ã6ãSa 893/04ã- aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung -ãauch über die Kosten der Revisionã- an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und einen Antrag auf Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. Der am 1.ãOktober 1969 geborene Kläger trat 1998 als „Maschinenbediener II“ in die Dienste der Beklagten. Er ist geschieden, einem sechsjährigen Sohn zum Unterhalt verpflichtet und erhielt zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 2.500,00ãEuro.
Auf Grund von Umsatzrückgängen beschloss die Geschäftsleitung der Beklagten im Frühjahr 2004 im Produktionsbereich (Presswerk und Aggregatewerk) insgesamt 57 gewerbliche Arbeitsplätze abzubauen. Die Beklagte führte eine Sozialauswahl unter insgesamt 595 gewerblichen Mitarbeitern durch. Dabei berÃ[…]