BUNDESARBEITSGERICHT
Az.: 6 AZR 198/06
Urteil vom 13.07.2006
Leitsätze:
1. § 17 Abs. 1 KSchG ist im Hinblick auf die Richtlinie RL 98/59/EG vom 20. Juli 1998 richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Massenentlassungsanzeige vor Erklärung der Kündigungen erstattet werden muss.
2. Wurde die Massenentlassungsanzeige im Einklang mit der früheren Rechtsprechung und Verwaltungspraxis erst nachträglich erstattet, kann sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigungen auf Vertrauensschutz berufen, solange er von der geänderten Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung keine Kenntnis haben musste.
Tenor:
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 - 12 Sa 1463/05 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der auf Grund eines Interessensausgleichs mit Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 30. März 2005 zum 30. Juni 2005.
Die am 15. Dezember 1951 geborene Klägerin war seit dem 1. Juni 1988 als Druckvorlagenherstellerin bei der späteren Insolvenzschuldnerin, der G GmbH, zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.100,00 Euro beschäftigt. Am 1. März 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G GmbH eröffnet und der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren bei der Insolvenzschuldnerin 75 Arbeitnehmer beschäftigt. Am 18. März 2005 schlossen der Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin und der beklagte Insolvenzverwalter einen „Teil-Interessenausgleich“, der zur Fortführung des Betriebes die Kündigung von 13 namentlich genannten Arbeitnehmern aus dringenden betrieblichen Erfordernissen vorsah. Unter Ziffer 1 der Namensliste war der Name der Klägerin genannt. Mit Schreiben vom 30. März 2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 2005. Den weiteren im Interessenausgleich namentlich aufgeführten Arbeitnehmern wurde ebenfalls Ende März 2005 gekündigt.
Der Beklagte zeigte erst nach der Zustellung der Kündigung mit Schreiben vom 25. April 200[…]