BGH
Az.: VI ZR 180/01
Urteil vom 23.04.2002
Vorinstanzen: OLG Naumburg – LG Magdeburg
Leitsatz:
a) Beim Zusammenstoß zwischen einem PKW und einem Fußgänger ist die Vermeidbarkeit eines Unfalls auch dann gegeben, wenn der Fußgänger bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit des PKW den Gefahrenbereich vor Eintreffen des Fahrzeugs verlassen gehabt hätte („zeitliche Vermeidbarkeit“).
b) Reicht das urkundenbeweislich verwertete Gutachten aus einem Ermittlungsverfahren nicht aus, um die von einer Partei zum Beweisthema angestellten Überlegungen und die in ihrem Vortrag angesprochenen aufklärungsbedürftigen Fragen zu beantworten, so muß der Tatrichter auf Antrag der Partei einen Sachverständigen hinzuziehen und eine schriftliche oder mündliche Begutachtung anordnen.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2002 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. März 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz sowie auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für Zukunftsschäden aus einem Verkehrsunfall im Umfang einer Haftungsquote von 75% in Anspruch.
Am 1. Mai 1998 befuhr der Beklagte zu 1 (künftig: der Beklagte) mit seinem PKW, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, eine innerörtliche Straße in M.. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Nachdem der Beklagte eine Fußgängerquerungshilfe passiert hatte, lief plötzlich der damals 8 Jahre und 2 Monate alte Kläger aus einer Parkplatzausfahrt, die aus Blickrichtung des Fahrzeugführers durch einen Baum und Gebüsche teilweise verdeckt war, a[…]