LG Flensburg – Az.: I Qs 29/21 – Beschluss vom 10.01.2022
In dem Ermittlungsverfahren wegen Betruges hat das Landgericht Flensburg – I, Große Strafkammer – am 10. Januar 2022 beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 03.05.2021 (Aktenzeichen 485 Gs 467/21) wird auf Kosten des Beschuldigten als unbegründet verworfen.
Gründe
1. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 03.05.2021 (Aktenzeichen 485 Gs 467/21), mit dem die Staatsanwaltschaft Kiel zur Herausgabe sämtlicher Videoaufzeichnungen der am Personaleingang ihrer Außenstelle im Knooper Weg 103 installierten Überwachungskamera verpflichtet wird, ist zulässig. In der Sache jedoch hat sie keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob Anfertigung und Speicherung der Aufnahmen durch die Staatsanwaltschaft Kiel vorliegend zulässig waren — denn selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, stünde dies einer Beschlagnahme im Sinne des § 94 Abs. 2 StPO und damit auch einer Verpflichtung zur Herausgabe im Sinne des § 95 StPO nicht entgegen.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass diese Aufnahmen selbst dann im Strafverfahren verwertbar wären, wenn die Staatsanwaltschaft Kiel sie rechtswidrig erstellt hätte (BGH, Beschluss vom 18.08.2021, 5 StR 217/21, zitiert nach juris), da aus der rechtswidrigen Erlangung eines Beweis-mittels durch einen Dritten nicht ohne weiteres die Unverwertbarkeit dieses Beweismittels im Strafverfahren folgt (BGH, Urteil vom 12.04.1989, 3 StR 453/88, zitiert nach juris).
Ob ein auf rechtswidrige Weise erlangtes Beweismittel zulasten eines Beschuldigten verwertet werden darf, ist vielmehr jeweils im Einzelfall insbesondere nach der Art des Verbots, dem Gewicht des Verfahrensverstoßes, der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter und dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Denn auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf die Wahrheitserforschung um „jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Ein Beweisverwertungsverbot ist ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung deshalb nur ausnahmsweise aus übergeordneten wichtigen Gesichtspunkten im Einzelfall anzunehmen, wenn einzelne Rechtsg[…]