KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 282/18 – 122 Ss 123/18 – Beschluss vom 22.11.2018
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. August 2018 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung eines roten Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG festgesetzt.
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird, hat (vorläufigen) Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel in ihrer Zuschrift vom 9. November 2018 wie folgt Stellung genommen:
„Sie [Anm. des Senats: Die Rechtsbeschwerde] dringt mit den zulässig erhobenen Verfahrensrügen durch, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag auf Vernehmung der Ehefrau des Betroffenen, der Zeugin Y, zu Unrecht abgelehnt und es habe die Feststellungen nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
1. Der Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Vernehmung der Zeugin Y, die bekunden sollte, dass sie das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt geführt habe, abgelehnt hat, hält rechtlicher Prüfung [Anm. des Senats: Zu ergänzen ist hier offenkundig „hält rechtlicher Prüfung nicht stand“].
Das Amtsgericht führt aus, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG), weil der anthropologische Sachverständige Dr. … ausgeschlossen habe, dass auf den bei den Akten befindlichen Belegfotos eine Frau als Fahrerin zu erkennen sei. Ferner habe der Betroffene sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen und somit die nunmehr benannte Zeugin ebenso wie in seinen früheren Einlassungen nicht als Fahrerin des Tatfahrzeugs ins Feld geführt.
Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG verpflichtet, die Wahrheit vom Amts wegen zu erforschen. Den Umfang der Beweisaufnahme hat der Amtsrichter – unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache (§ 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG) – nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. In § 77 Abs. 2 OWiG ist für die Beweisaufnahme im Bußgeldverfahren zudem eine über das Beweisantragsrecht der Strafprozessordnung (§ 244 Abs. 3 bis 5 StPO) hinausgehende[…]