KG Berlin, Beschluss vom 24.02.2016, Az.: 3 Ws (B) 95/16 – 162 Ss 18/16
Leitsatz: Das Absehen vom Fahrverbot wegen angedrohter Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann keinen Bestand haben, wenn der Tatrichter seine Feststellungen ausschließlich auf die durch ein verlesenes Schreiben des Arbeitsgebers untermauerten Angaben des Betroffenen stützt und die Urteilsgründe eine kritische Auseinandersetzung, ob sich seine Angaben im Ergebnis lediglich als durch das Fahrverbot bedingte berufliche Nachteile oder Unbequemlichkeiten darstellen, vermissen lassen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Dezember 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident in B. hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit um 37 km/h eine Geldbuße von 160,00 Euro festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Auf seinen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch hat das Amtsgericht T. den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 320,00 Euro verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.
Aufgrund der rechtskräftigen Feststellungen des Bußgeldbescheids ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Betroffene am Tattag, dem 19. Juni 2015, um 1.46 Uhr die BAB 100 (innerorts) in Richtung Süden/AS Innsbrucker Platz befuhr und hierbei die wegen einer Baustelle auf 60 km/h beschränkte Geschwindigkeit fahrlässig nach Toleranzabzug um 37 km/h überschritt.
Das Amtsgericht ist den auf ein verlesenes Schreiben des Arbeitgebers gestützten Angaben des Betroffenen gefolgt, wonach ihm, dem Betroffenen, bei Anordnung eines Fahrverbotes der Arbeitsplatzverlust infolge Kündigung drohe. Denn er sei als angestellter Physiotherapeut auf seinen Führerschein angewiesen, weil er laut Arbeitsvertrag ausschließlich Hausbesuche absolviere, zu denen er schwere Mas[…]