BUNDESFINANZHOF
Az.: II R 76/99
Urteil vom 6. Juni 2001
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg
Leitsatz:
Gegenstand eines (Kaufrechts-)Vermächtnisses, durch das der Erblasser dem Bedachten das Recht einräumt, einen Nachlassgegenstand zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, ist das durch den Erbfall begründete Gestaltungsrecht, das mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist; dieser ist mangels anderer Wertmaßstäbe nach dem Verkehrswert des Gegenstandes zu schätzen, auf den sich das Übernahmerecht bezieht. Die Steuer für diesen Erwerb entsteht erst, wenn der Bedachte das Recht geltend macht.
Normen:
§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 12 ErbStG
§ 9 Abs. 1 BewG
§ 1939, § 2048, § 2150 BGB
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Schwester sind Miterben zu je 1/2 Anteil nach der am 5. Juni 1991 verstorbenen Erblasserin (E); zu deren Nachlass gehörte u.a. ein Grundstück mit einem erhöhten Einheitswert von 46 480 DM und einem Verkehrswert von 185 000 DM. E hatte dem Kläger in einem privatschriftlichen Testament vom 6. Mai 1986 als Vermächtnis das Recht eingeräumt, dieses Grundstück innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Tod „zum Anschlagswert in Höhe von zwei Dritteln eines einzuholenden Gutachtens eines vereidigten Sachverständigen oder eines gemeindlichen Schätzungsausschusses“ zu übernehmen. Nach Ausübung des Rechts übertrug die Testamentsvollstreckerin durch notariell beurkundeten Vermächtniserfüllungsvertrag vom 25. Februar 1992 gegen Zahlung von 61 667 DM (1/3 des Verkehrswertes) das Alleineigentum an dem Grundstück auf den Kläger.
In der Erbschaftsteuererklärung setzte sie bei der Ermittlung des Nachlasswertes das Grundstück mit dem erhöhten Einheitswert und den Vermächtniserwerb des Klägers mit einem Drittel dieses Wertes, d.h. mit 15 493 DM, an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) sah in dem Übernahmerecht ein Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers hinsichtlich des seiner Schwester an dem […]