Trotz fixierter Arme errichtete ein Patient im Krankenhaus ein Nottestament vor drei Zeugen, um seine Tochter von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen. Das Nachlassgericht sah die nötige unmittelbare Todesgefahr nicht gegeben, auch weil die Unerreichbarkeit des Notars im Aktenvortrag fraglich blieb. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 109/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 04.10.2022
- Aktenzeichen: 3 W 109/22
- Verfahren: Beschluss/Beschwerdeverfahren im Erbrecht
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Formvorschriften für Testamente
- Das Problem: Die Tochter des Verstorbenen und eine andere Person stritten darum, wer Alleinerbe wird. Die andere Person berief sich auf ein mündlich vor drei Zeugen errichtetes Nottestament.
- Die Rechtsfrage: War der Erblasser wirklich in so unmittelbarer Todesgefahr, dass er keines der üblichen Testamente (Notar, Bürgermeister) mehr errichten konnte?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Beschwerde zurück, die gesetzliche Erbin bleibt Alleinerbin. Die Anforderungen an eine „nahe Todesgefahr“ für das Nottestament waren nicht erfüllt.
- Die Bedeutung: Ein mündlich vor Zeugen errichtetes Testament ist eine extreme Ausnahme. Eine schwere, unheilbare Krankheit allein genügt nicht, wenn ein Notar objektiv noch erreichbar gewesen wäre.
Wann ist ein Nottestament bei naher Todesgefahr wirklich wirksam?
Ein Mann liegt schwerkrank im Krankenhaus. Seine Arme sind nach einem Bruch fixiert, er kann nicht mehr selbst schreiben. In dem Bewusstsein, dass sein Leben zu Ende geht, möchte er seinen letzten Willen festlegen und sein Erbe anders verteilen, als es das Gesetz vorsieht. Drei Zeugen werden an sein Bett gerufen, um seinen mündlichen Willen zu protokollieren. Doch ist ein solches Testament am Krankenbett, errichtet in letzter Minute, rechtlich ebenso stabil wie ein sorgfältig vorbereitetes notarielles Testament? Mit genau dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Brandenburg in seinem Beschluss vom 4. Oktober 2022 (Az. 3 W 109/22) auseinandersetzen. Der Fall beleuchtet die extrem hohen Hürden für die Gültigkeit eines sogenannten Drei-Zeugen-Nottestaments und zeigt, warum eine ernste Krankheit allein nicht ausreicht, um die strengen Formvorschriften des Erbrechts außer Kraft zu setzen.
Ein letzter Wille am Krankenbett: Was war geschehen?
Ein Mann befand sich aufgrund einer unheilbaren Erkrankung in stationärer Behandlung. Wegen fixierter Arme war er unfähig, ein handschriftliches Testament zu verfassen. Am 13. September 2021 wurde daher in der Klinik in Anwesenheit von drei Zeugen eine Niederschrift erstellt, die den letzten Willen des Mannes festhalten sollte. In diesem Dokument wurde ein Mann, der nicht mit ihm verwandt war, als alleiniger Erbe eingesetzt. Drei Wochen später, am 4. Oktober 2021, verstarb der Erblasser. Nach seinem Tod beantragte die einzige Tochter des Verstorbenen beim Nachlassgericht die Feststellung, dass sie als gesetzliche Alleinerbin gilt. Das Gericht entsprach diesem Antrag. Dagegen legte der im Krankenbett eingesetzte Erbe Beschwerde ein. Er argumentierte, das am 13. September errichtete Drei-Zeugen-Testament sei wirksam. Der Erblasser habe sich in akuter Todesgefahr befunden, und es sei unmöglich gewesen, rechtzeitig einen Notar oder den Bürgermeister hinzuzuziehen….