Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament sollte die Söhne dauerhaft enterben, zugunsten von Seitenverwandten – eine klassische Enterbung bei Wegfall des testamentarischen Erben. Nachdem die eingesetzten Verwandten jedoch die gesamte Erbschaft ausschlagen, stand das Gericht vor der Frage: War die Enterbungsklausel damit hinfällig? Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 121/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 17. November 2022
- Aktenzeichen: 3 W 121/22
- Verfahren: Beschwerdeverfahren in einer Erbsache
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung
- Das Problem: Ein Mann hatte in einem gemeinschaftlichen Testament seine Söhne von der Erbfolge ausgeschlossen. Stattdessen sollten die Nichte und der Neffe seiner vorverstorbenen Frau erben. Diese eingesetzten Erben lehnten das Erbe jedoch ab. Die Söhne des Mannes forderten daraufhin, als gesetzliche Erben anerkannt zu werden.
- Die Rechtsfrage: Waren die Söhne dauerhaft enterbt, auch wenn die im Testament eingesetzten Erben die Erbschaft ablehnten?
- Die Antwort: Nein. Die Söhne sind die gesetzlichen Erben zu gleichen Teilen. Das Gericht befand, dass die Formulierung im Testament keine eigenständige und dauerhafte Enterbung der Söhne darstellte. Sie bestätigte nur, dass andere Personen als testamentarische Erben eingesetzt wurden.
- Die Bedeutung: Fällt der im Testament eingesetzte Erbe weg und ist kein Ersatzerbe bestimmt, erbt der gesetzliche Erbe. Eine Enterbung muss im Testament absolut klar und unabhängig von der Einsetzung der anderen Erben formuliert sein, um dauerhaft zu gelten.
Enterbung unwirksam? Was passiert, wenn die testamentarischen Erben ausschlagen
Ein Testament soll Klarheit schaffen, doch manchmal erzeugt es erst die entscheidenden Fragen. Was geschieht, wenn die eingesetzten Erben das Erbe ablehnen und das Testament zugleich die gesetzlichen Erben, wie die eigenen Kinder, ausdrücklich ausschließt? Führt dies zu einer dauerhaften Enterbung oder fällt das Erbe doch an die Familie zurück? Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 17. November 2022 (Az. 3 W 121/22) beleuchtet genau dieses Spannungsfeld und zeigt, wie entscheidend präzise Formulierungen im letzten Willen sind, um den wahren Willen des Erblassers durchzusetzen.
Was genau war im gemeinschaftlichen Testament geregelt?
Der Fall beginnt mit einem Ehepaar, das im Jahr 1985 ein gemeinschaftliches Testament verfasste. Der Ehemann brachte aus seiner ersten Ehe drei Söhne mit in die Beziehung. Die zweite Ehefrau war kinderlos. Ihr gemeinsamer letzter Wille folgte einem typischen Muster: Zuerst sollte der überlebende Ehegatte alles erben. Nach dem Tod des Längerlebenden sollte das gesamte Vermögen an zwei Verwandte der Ehefrau gehen – ihren Neffen und ihre Nichte. Für die Söhne des Mannes fand sich im Testament eine klare, aber folgenschwere Passage: „Aus erster Ehe habe ich drei Kinder … Sie sind durch das Testament nicht erbberechtigt.“ Im Jahr 2012 verstarb die Ehefrau, 2016 folgte ihr der Ehemann. Nun sollte der zweite Teil des Testaments greifen: Das Erbe sollte an den Neffen und die Nichte der Frau gehen. Doch beide schlugen die Erbschaft form- und fristgerecht aus. Plötzlich gab es keine testamentarischen Erben mehr. Einer der Söhne des Erblassers sah darin seine Chance. Er beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn und seine beiden Brüder als gesetzliche Erben zu je einem Drittel ausweisen sollte….