Die Frage der Arzthaftung bei Diagnosefehler des Unfallchirurgen stellte sich, nachdem die Radiusköpfchen-Luxation eines Kindes im Krankenhaus übersehen wurde und dauerhafte Gelenkschäden nach sich zog. Das OLG Frankfurt musste klären, ob dieser schwerwiegende Befunderhebungsfehler aufgrund der Seltenheit der Verletzung als entschuldbarer Irrtum galt. Zum vorliegenden Urteil Az.: 17 U 58/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 24.09.2025
- Aktenzeichen: 17 U 58/23
- Verfahren: Zivilrechtliches Urteil
- Rechtsbereiche: Arzthaftung, Schadensersatzrecht
- Das Problem: Eine im Jahr 2012 geborene Klägerin stürzte auf ihren rechten Arm. Sie wirft dem behandelnden Unfallchirurgen vor, einen Diagnosefehler begangen zu haben. Die Klägerin fordert Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen der übersehenen Verletzung.
- Die Rechtsfrage: Hat der Chirurg einen vorwerfbaren Fehler gemacht, als er die isolierte Auskugelung des Radiusköpfchens übersah? Ist das Krankenhaus als Trägerin auch für die Befundungsfehler des hinzugezogenen Radiologen verantwortlich?
Wann führt ein Diagnosefehler des Unfallchirurgen zur Arzthaftung?
Ein alltäglicher Sturz eines Kindes auf den Spielplatz, gefolgt von einem Besuch in der Notaufnahme – eine Situation, die unzählige Eltern kennen. Doch was passiert, wenn eine schwerwiegende Verletzung im Krankenhaus übersehen wird und zu dauerhaften Schäden führt? Genau diese Frage musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Urteil vom 24.09.2025 (Az.: 17 U 58/23) beantworten. Der Fall beleuchtet die feine, aber entscheidende Linie zwischen einem entschuldbaren Diagnoseirrtum und einem vorwerfbaren Behandlungsfehler, der zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Schadensersatz führen kann. Im Zentrum der richterlichen Analyse stand nicht nur das Handeln des diensthabenden Unfallchirurgen, sondern auch die heikle Frage, inwieweit ein Krankenhaus für die Einschätzung eines externen Spezialisten geradestehen muss.
Ein Sturz mit unerwarteten Folgen: Der Fall im Detail
Im Mai 2020 stürzte die damals achtjährige Klägerin und verletzte sich am rechten Arm. Im Krankenhaus der Beklagten wurde sie vom diensthabenden Unfallchirurgen untersucht. Da der Verdacht auf einen Knochenbruch bestand, ordnete dieser eine Röntgenuntersuchung des Ellenbogens in zwei Ebenen an. Die Bilder wurden von einem externen Radiologen ausgewertet, der zur Befundung hinzugezogen wurde. In dessen schriftlichem Bericht stand: „Kein Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung.“ Basierend auf diesem Befund und seiner eigenen Untersuchung diagnostizierte der Unfallchirurg eine Ellenbogenprellung und empfahl, den Arm zu schonen. Doch die Schmerzen des Mädchens ließen nicht nach. Erst bei einer späteren Untersuchung durch einen anderen Arzt kam die wahre Ursache ans Licht: eine isolierte Radiusköpfchen-Luxation. Dabei handelt es sich um eine seltene, aber schwere Gelenkverletzung, bei der der Speichenkopf aus seiner Position im Ellenbogengelenk springt. Weil diese Verletzung nicht sofort erkannt und behandelt wurde, leidet die junge Patientin heute unter einer dauerhaften Bewegungseinschränkung des Arms. Sie forderte vom Krankenhaus und dem behandelnden Chirurgen ein Schmerzensgeld sowie den Ersatz aller zukünftigen Schäden, die aus der verspäteten Diagnose resultieren.
Welche rechtlichen Maßstäbe gelten bei einem Diagnoseverdacht?…