Ein Versicherungsnehmer vereinbarte die sofortige Kündigung des Versicherungsschutzes seiner Kaskopolice mündlich mit seinem Bankberater. Obwohl die AGB lange Fristen vorsahen, verlor er den Schutz kurz vor einem Totalschaden – nicht grundlos. Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 30/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 21.05.202
- Aktenzeichen: 5 U 30/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht
- Das Problem: Eine Autobesitzerin kündigte ihre Differenzkasko-Versicherung per E-Mail. Wenige Tage später erlitt das Fahrzeug einen Totalschaden. Die Versicherung verweigerte die Zahlung, weil der Schutz ihrer Ansicht nach bereits beendet war.
- Die Rechtsfrage: War die Kündigung sofort wirksam, obwohl der Vertrag eine Frist von zwei Wochen vorsah? Oder bestand der Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Unfalls noch?
- Die Antwort: Der Versicherungsschutz war bereits vor dem Unfall beendet. Das Gericht entschied, dass die Kündigungsfrist vertraglich aufgehoben wurde. Eine telefonische Zusage der Versicherungsnehmerin machte die sofortige Kündigung wirksam.
- Die Bedeutung: Mündliche oder per E-Mail getroffene individuelle Absprachen sind bindend. Sie setzen die Fristen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen außer Kraft, auch wenn diese die Schriftform vorschreiben.
War die Kaskoversicherung sofort gekündigt? Warum ein Telefonat die AGB aushebeln kann
Ein Telefonat, eine kurze E-Mail – und wenige Tage später ist das teure Auto nur noch ein Haufen Schrott. Für eine Autokäuferin wurde dieser Albtraum zur bitteren Realität, als ihre Differenzkaskoversicherung die Zahlung verweigerte. Der Grund: Sie habe den Vertrag nur eine Woche vor dem Unfall selbst gekündigt. Doch war diese Kündigung „mit sofortiger Wirkung“ überhaupt gültig, obwohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine zweiwöchige Frist vorschrieben? Das Oberlandesgericht Saarbrücken musste in seinem Urteil vom 21. Mai 2024 (Az.: 5 U 30/24) eine grundlegende Frage klären: Kann eine mündliche Zusage am Telefon die fein gedruckten Klauseln eines Versicherungsvertrags außer Kraft setzen? Die Antwort der Richter ist eine präzise Lektion über die Macht individueller Absprachen im Vertragsrecht.
Was genau war geschehen?
Die Geschichte beginnt mit dem Kauf eines gebrauchten Land Rover Discovery Sport für knapp 50.000 Euro. Um das Fahrzeug zu finanzieren, schloss die spätere Klägerin Ende 2016 einen Darlehensvertrag mit einer Bank ab. Gleichzeitig trat sie einem Gruppenversicherungsvertrag bei, den die Bank als Versicherungsnehmerin mit einer Versicherung abgeschlossen hatte. Es handelte sich um eine sogenannte Differenzkaskoversicherung. Diese spezielle Police ist darauf ausgelegt, bei einem Totalschaden die Lücke zwischen dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs und der noch offenen Darlehenssumme zu schließen – ein finanzieller Schutzschild für den Kreditnehmer. Knapp vier Jahre später, am 24. September 2020, rief die Autokäuferin bei der finanzierenden Bank an, um sich über eine Kündigung dieser Versicherung zu erkundigen. Ein Mitarbeiter teilte ihr mit, eine Kündigung sei „jederzeit möglich“ und die Prämie werde anteilig erstattet. Noch am selben Tag setzte die Frau eine E-Mail auf, adressiert an die in den Versicherungsbedingungen genannte E-Mail-Adresse der Bank. Mit Verweis auf das Telefonat schrieb sie: „… kündige ich die xxx – Versicherung mit sofortige Wirkung“….