Ein Ehepaar regelte die Erbfolge für den Fall des gleichzeitigen Versterbens detailliert in einer Katastrophenklausel im Testament bei gestaffeltem Tod. Die gesetzlichen Erben hofften auf das Erbe, doch ein Detail in der Pflichtteilsstrafklausel änderte die gesamte Auslegung des tatsächlichen Willens. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Wx 58/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Sachsen‑Anhalt
- Datum: 30.09.2024
- Aktenzeichen: 2 Wx 58/23
- Verfahren: Beschluss im Nachlassverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung, Nachlasssachen
- Das Problem: Zwei Geschwister und weitere Beteiligte stritten nach dem Tod beider Eltern um die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments. Die Frage war, ob die detaillierten Erbenregelungen nur im „Notfall“ (gleichzeitiger Tod) galten oder auch dann, wenn die Eheleute zeitlich nacheinander verstarben.
- Die Rechtsfrage: Ist das detaillierte Testament ungültig, weil die Eheleute im normalen zeitlichen Abstand gestorben sind, oder gelten die darin festgelegten Erben und Quoten auch für diesen gewöhnlichen Erbfall?
- Die Antwort: Das Testament ist gültig und anwendbar. Das Gericht stellte fest, dass die sehr detaillierten Verfügungen, insbesondere eine Strafklausel, nur dann sinnvoll sind, wenn sie gerade für den Fall des zeitlich versetzten Todes bestimmt waren.
- Die Bedeutung: Der Nachlass wird nach den festgelegten Quoten des Testaments (und nicht nach der gesetzlichen Erbfolge) aufgeteilt. Das Nachlassgericht muss den beantragten Erbschein erteilen, der die Miterben (Kind 1, Ehefrau von Kind 1 und Enkel) entsprechend ausweist.
Gilt eine Katastrophenklausel im Testament auch beim normalen, zeitversetzten Tod der Ehepartner?
Ein gemeinsames Testament soll für Klarheit sorgen, wenn der letzte Vorhang fällt. Doch was geschieht, wenn die Formulierungen selbst zum größten Streitpunkt werden? Ein Ehepaar hinterlässt einen letzten Willen, der detailliert das Erbe nach dem Tod beider Partner regelt. Ein einziger Satz stellt jedoch alles infrage: Die Regelungen sollen gelten, „sollten wir beide zur gleichen Zeit sterben“. Die Eheleute versterben aber Monate nacheinander. Gilt der letzte Wille nun gar nicht? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt in einem Beschluss vom 30. September 2024 (Az.: 2 Wx 58/23) befassen und eine grundlegende Entscheidung über die Kunst der Testamentsauslegung treffen. Der Fall zeigt eindrücklich, dass Richter nicht am Buchstaben kleben dürfen, wenn der Geist eines Testaments eine andere Sprache spricht.
Was genau stand im Testament der Eheleute?
Im März 2017 setzten sich ein Ehemann und seine Frau in einem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Das ist ein üblicher und bewährter Weg, um den überlebenden Partner abzusichern. Doch die Eheleute blickten auch weiter in die Zukunft und wollten regeln, was nach dem Tod des zweiten Partners mit ihrem Vermögen geschehen sollte. Der entscheidende Konflikt entzündete sich an der Einleitung zu diesen sogenannten Schlusserbenregelungen. Dort hielten sie fest: Der länger lebende Ehegatte sei frei, diese Verfügungen zu ändern….