Ein Mitarbeiter erlitt beim Abbau eines Schwerlastregals eine Querschnittslähmung und forderte Schmerzensgeld vom Arbeitgeber. Entscheidend für den Haftungsausschluss des Arbeitgebers nach Arbeitsunfall war nur die Frage des nachweisbaren Vorsatzes. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Sa 1/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
- Datum: 24.06.2025
- Aktenzeichen: 1 Sa 1/25
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Sozialrecht, Schadensersatz
- Das Problem: Ein Mitarbeiter stürzte bei Abbau eines Regals aus großer Höhe und erlitt eine irreversible Querschnittslähmung. Er forderte von seinem Arbeitgeber Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von mindestens 250.000,00 €. Der Arbeitgeber berief sich auf den gesetzlichen Haftungsausschluss für Arbeitsunfälle.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Arbeitgeber für die schweren Folgen eines Arbeitsunfalls persönlich haften, wenn der Arbeitnehmer behauptet, der Chef habe die Verletzung aufgrund grober Sicherheitsmängel bewusst in Kauf genommen?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Klage ab. Ein Arbeitgeber haftet nur, wenn er die Verletzung des Mitarbeiters tatsächlich bewusst herbeiführen wollte oder den schweren Verletzungserfolg gebilligt hat. Das konnte der Kläger hier nicht beweisen.
- Die Bedeutung: Der gesetzliche Haftungsausschluss schützt Arbeitgeber auch bei schweren Sicherheitsverstößen. Nur wenn ein sogenannter Doppelter Vorsatz (Vorsatz bezüglich der Handlung und des Verletzungserfolgs) vorliegt, kann der Arbeitgeber zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verpflichtet werden.
Sturz in ein neues Leben: Warum haftet der Arbeitgeber nicht für einen Arbeitsunfall mit Querschnittslähmung?
Ein Sturz aus drei bis vier Metern Höhe beendete das bisherige Leben eines langjährigen Mitarbeiters. Die Diagnose: eine vollständige und irreversible Querschnittslähmung. Der Unfall ereignete sich bei der Arbeit, im Betrieb seines Arbeitgebers, auf dessen Anweisung hin. Dennoch entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2025 (Az.: 1 Sa 1/25), dass der Arbeitgeber weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz zahlen muss. Diese auf den ersten Blick schockierende Entscheidung offenbart die tiefgreifende Logik des deutschen Sozialversicherungsrechts und die extrem hohe Hürde, die ein Arbeitnehmer überwinden muss, um die persönliche Haftung seines Arbeitgebers zu begründen.
Was genau war geschehen?
Am 3. November 2020 erhielt ein seit rund zehn Jahren im Betrieb beschäftigter Mitarbeiter den Auftrag, gemeinsam mit einem Kollegen ein massives Schwerlastregal in der Lagerhalle abzubauen. Das Regal war mindestens fünf Meter hoch, drei Meter breit und einen Meter tief. Während der Arbeiten befand sich der Mitarbeiter allein in der Halle; sein Kollege war abwesend. Plötzlich stürzte er aus beträchtlicher Höhe ab. Er erlitt verheerende Verletzungen, darunter eine Schädelfraktur, Rippenbrüche, Wirbelfrakturen und als schwerste Folge eine Querschnittslähmung. Nach dem Unfall ließ der Arbeitgeber das Regal von dem anderen Kollegen vollständig demontieren. Als die Polizei am nächsten Tag den Unfallort untersuchte, existierte das Unglücksregal nicht mehr. Der Arbeitgeber demonstrierte den möglichen Hergang stattdessen an einem baugleichen Regal. Wegen Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften wurde später ein Bußgeld in Höhe von 1.500 Euro gegen den Arbeitgeber verhängt….