Ein neuer Eigentümer kündigte die Wohnung wegen Eigenbedarfs, doch eine vertragliche Einschränkung des Kündigungsrechts durch Altvertrag stand im Weg. Obwohl der gesetzliche Eigenbedarf nachgewiesen wurde, war die über 30 Jahre alte Mietklausel überraschend strenger als das Gesetz. Zum vorliegenden Urteil Az.: 67 S 221/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Berlin
- Datum: 20.05.2025
- Aktenzeichen: 67 S 221/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Eigenbedarf, Bestandsschutz
- Das Problem: Ein neuer Eigentümer kündigte der Mieterin wegen Eigenbedarfs. Der Eigentümer wollte die Wohnung für sich, seine Verlobte und die Kinder nutzen. Die Mieterin berief sich auf eine vertragliche Klausel, die strengere Kündigungsregeln vorsah.
- Die Rechtsfrage: Muss ein neuer Wohnungskäufer sich an eine alte Vertragsklausel halten, die den Mieter über das gesetzliche Maß hinaus schützt? Verhindert dieser erhöhte Bestandsschutz eine Kündigung, obwohl der gesetzliche Eigenbedarf erfüllt ist?
- Die Antwort: Nein. Die Räumungsklage wurde endgültig abgewiesen. Der Eigentümer ist an die vertraglich vereinbarte, höhere Schutzhürde gebunden. Der gesetzliche Standard-Eigenbedarf reichte nicht aus, um diese erhöhte Hürde zu überwinden.
- Die Bedeutung: Der Käufer einer vermieteten Wohnung tritt umfassend in alle Rechte und Pflichten des alten Vermieters ein. Bestehende Altverträge mit erhöhtem Kündigungsschutz können eine Eigenbedarfskündigung verhindern, selbst wenn der neue Eigentümer einen ernsthaften gesetzlichen Wohnbedarf hat.
Erhöhter Bestandsschutz: Kann eine alte Vertragsklausel eine neue Eigenbedarfskündigung aushebeln?
Ein Käufer erwirbt eine vermietete Wohnung, um dort mit seiner Familie ein neues Zuhause zu schaffen. Der Eigenbedarf ist nachvollziehbar, die Kündigung formal korrekt. Dennoch scheitert er vor Gericht. Der Grund: eine über 30 Jahre alte Klausel im ursprünglichen Mietvertrag, die der Mieterin einen Schutz gewährt, der weit über das gesetzliche Maß hinausgeht. In seiner Entscheidung vom 20. Mai 2025 (Az. 67 S 221/24) musste das Landgericht Berlin eine fundamentale Frage des Mietrechts klären: Wie stark bindet ein solcher „Altvertrag“ einen neuen Eigentümer, der in die Fußstapfen des ursprünglichen Vermieters tritt? Das Urteil ist eine präzise Lektion über die Macht von Verträgen und den Grundsatz, dass Kauf nicht Miete bricht.
Ein Vertrag mit weitreichenden Folgen: Die Geschichte hinter der Kündigung
Die Geschichte beginnt am 10. September 1991. Eine Mieterin schließt mit einer Wohnungsbaugesellschaft einen Mietvertrag für eine Wohnung in Berlin ab. Dieser Vertrag enthält eine bemerkenswerte Klausel in § 5 Absatz 3. Sie besagt, dass eine Kündigung durch den Vermieter nur in besonderen Ausnahmefällen möglich ist. Es müssen „wichtige berechtigte Interessen“ vorliegen, die eine Beendigung des Mietverhältnisses „notwendig machen“. Diese Formulierung verspricht der Mieterin einen deutlich stärkeren Schutz, als ihn das Gesetz üblicherweise vorsieht. Jahre später, im Februar 1998, wird die Wohnung modernisiert. Die Parteien schließen eine Zusatzvereinbarung, die den ursprünglichen Mietvertrag in einigen Punkten abändert. Eine dieser Änderungen ist ein expliziter Kündigungsschutz: Für zehn Jahre nach Abschluss der Bauarbeiten sind Kündigungen wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen. Wieder vergehen Jahrzehnte. Die Wohnung wird verkauft….