Die Grenze der Meinungsfreiheit bei Beleidigung von Politikern wurde vom Bayerischen Obersten Landesgericht anhand eines Social-Media-Posts mit der Vokabel „Lobbynutten“ neu gezogen. Trotz der extremen politischen Polemik blieb der Angeklagte straffrei, weil Richter nun höchste Anforderungen an die Feststellung digitaler Äußerungsdelikte stellen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 206 StRR 205/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
- Datum: 16. Juli 2025
- Aktenzeichen: 206 StRR 205/25
- Verfahren: Revision in Strafsachen
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Meinungsfreiheit, Ehrschutz
- Das Problem: Ein Bürger wurde wegen beleidigender Äußerungen gegenüber Politikern und der Verbreitung eines Hitler-Kopfbildes in sozialen Medien verurteilt. Er sah dies als geschützte Meinungsäußerung im politischen Streit.
- Die Rechtsfrage: Schützt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auch sehr scharfe Begriffe wie „Lobbynutten“ gegenüber politischen Akteuren?
- Die Antwort: Ja, für diesen konkreten Ausdruck erfolgte ein Freispruch. Das Gericht sah die Bezeichnung „Lobbynutten“ im Kontext der politischen Debatte als überspitzte, aber zulässige Meinungsäußerung. Die übrigen Verurteilungen (insbesondere zur Verbreitung des Hitler-Bildes) wurden wegen fehlender Beweisfeststellungen des Landgerichts aufgehoben.
- Die Bedeutung: Meinungsäußerungen genießen in hitzigen politischen Debatten einen sehr hohen Schutz. Gerichte müssen den genauen Kontext von beleidigenden oder symbolischen Darstellungen exakt feststellen, bevor sie eine Verurteilung aussprechen können.
Wann sind politische Äußerungen in sozialen Medien strafbar?
Er nannte Politiker „Lobbynutten“ und verschickte Bilder von Adolf Hitler. Ein Mann wurde dafür vom Amtsgericht und später vom Landgericht München I wegen Beleidigung und der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen verurteilt. Doch in einem wegweisenden Beschluss vom 16. Juli 2025 (Az.: 206 StRR 205/25) hat das Bayerische Oberste Landesgericht dieses Urteil in wesentlichen Teilen aufgehoben. Die Entscheidung zieht eine feine, aber entscheidende Linie zwischen scharfer politischer Auseinandersetzung, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, und strafbarer Schmähkritik. Sie macht zugleich deutlich, welche akribische Detailarbeit Gerichte bei der Bewertung von Social-Media-Posts leisten müssen.
Was genau war im Netz passiert?
Der Fall nahm seinen Anfang am 21. Januar 2023, auf dem Höhepunkt einer emotional aufgeladenen öffentlichen Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Ein Mann nutzte eine Social-Media-Plattform, um seinen Unmut über Politikerinnen und Politiker zu äußern, die diese Lieferungen befürworteten. In mehreren Beiträgen griff er sie namentlich an. Zwei dieser Posts standen im Zentrum des Verfahrens. Um 20:10 Uhr und erneut um 22:45 Uhr bezeichnete er die abgebildeten Politiker als „Lobbynutten“. Den zweiten Beitrag ergänzte er mit dem Satz, „diese Schlangen“ würden „viel Geld für ihre Auftragspropaganda“ erhalten. In 33 weiteren Fällen verbreitete der Angeklagte ein Kopfbild von Adolf Hitler. Zudem reagierte er auf den Beitrag eines anderen Nutzers und nannte eine Politikerin eine „Arschloch-Goebbels-Imitatorin“. Sowohl das Amtsgericht München als auch das Landgericht München I werteten diese Handlungen als strafbar….