Ein früherer gesetzlicher Betreuer übernahm die Rolle des Testamentsvollstreckers und zahlte 160.566 Euro Nachlassgelder aufgrund eines unwirksamen Testaments aus. Trotz eines gültigen Zeugnisses sollte ihn seine Vorkenntnis als Betreuer über die Testierunfähigkeit die gesamte Summe kosten. Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 U 49/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 22.07.2024
- Aktenzeichen: 6 U 49/23
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Haftungsrecht, Betreuungsrecht
- Das Problem: Unbekannte gesetzliche Erben forderten vom früheren Betreuer die Rückzahlung von über 160.000 Euro. Der Betreuer hatte das Geld an die Deutsche Krebshilfe ausgezahlt. Er stützte die Zahlung auf ein Testament, dessen Unwirksamkeit ihm bekannt war.
- Die Rechtsfrage: Muss ein früherer gesetzlicher Betreuer dem Nachlass große Geldbeträge zurückzahlen? Dies gilt, wenn er Auszahlungen aufgrund eines unwirksamen Testaments vornahm. Er hätte die Unwirksamkeit durch seine eigene Betreuertätigkeit erkennen müssen.
- Die Antwort: Ja. Der Betreuer muss die an Dritte gezahlte Summe von 160.566,43 Euro zurückerstatten. Die Erblasserin war bei der Testamentserrichtung erwiesen unwirksam. Der Betreuer hatte aufgrund seiner eigenen Kenntnis von den schweren Einschränkungen schuldhaft gehandelt.
- Die Bedeutung: Wer als vermeintlicher Testamentsvollstrecker Gelder auszahlt, haftet persönlich. Dies gilt, wenn er aufgrund seiner früheren Tätigkeit die Ungültigkeit des Testaments hätte erkennen müssen. Er kann sich nicht auf eine nachträgliche Bestätigung durch das Nachlassgericht berufen.
Haftung des Testamentsvollstreckers: Müssen Sie zahlen, wenn das Testament unwirksam ist?
Ein offizielles Testamentsvollstreckerzeugnis vom Gericht in Händen zu halten, vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Es scheint die klare Erlaubnis zu sein, den letzten Willen eines Verstorbenen umzusetzen und Vermögen zu verteilen. Doch was passiert, wenn dieser letzte Wille von Anfang an rechtlich nicht existent war, weil die Person bei der Unterschrift gar nicht mehr die geistige Kraft besaß, ein Testament zu errichten? Genau mit dieser heiklen Frage befasste sich das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom 22. Juli 2024 (Az. 6 U 49/23) und kam zu einem Ergebnis, das eine klare Warnung für jeden ist, der Nachlässe verwaltet: Ein amtliches Dokument schützt nicht vor persönlicher Haftung, wenn man es besser hätte wissen müssen.
Was genau war passiert? Der Weg vom Betreuer zum Beklagten
Im Zentrum des Falles stand eine 1939 geborene Frau, die seit dem Jahr 2000 an einer schweren depressiven Erkrankung mit psychotischen Symptomen litt. Ihre geistigen Fähigkeiten waren zunehmend eingeschränkt. Aufgrund ihrer Situation wurde ihr 2001 ein Mann als gesetzlicher Betreuer für die Vermögenssorge zur Seite gestellt. Dieser besuchte sie regelmäßig und kannte ihren Zustand über Jahre hinweg sehr genau. Anfang März 2006 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Frau dramatisch. Sie litt unter einem Arterienverschluss und einem Tumor, war bettlägerig und von starker Atemnot geplagt. Spätere Strafgerichte stellten fest, dass sie ab dem 13. März 2006 bis zu ihrem Tod am 17. März nicht mehr testierfähig war – sie konnte also die Bedeutung und Tragweite eines Testaments nicht mehr verstehen. Genau in dieser Zeit, am 15. März 2006, nur zwei Tage vor ihrem Tod, kam es zur Beurkundung eines notariellen Testaments….