Der strittige Zugang der Kündigung bei persönlicher Übergabe erfolgte, indem der Vorstand das Schreiben im Büro nur auf den Tisch der Geschäftsleiterin legte. Das Gericht musste klären, ob das bloße Ablegen auf dem Schreibtisch ausreicht, um die entscheidende dreiwöchige Klagefrist auszulösen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 10 SLa 1163/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
- Datum: 30.05.2025
- Aktenzeichen: 10 SLa 1163/24
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsschutz
- Das Problem: Eine Geschäftsleiterin wurde ordentlich gekündigt. Sie bestritt den Zugang des Schreibens, um die Klagefrist zu umgehen und sah eine Bestrafung durch den Vorstand.
- Die Rechtsfrage: War die Kündigung wirksam zugegangen, obwohl der Vorstand den Briefumschlag nur mit dem Hinweis „der Form halber“ auf den Tisch legte?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht sah den Zugang als bewiesen an, da das Schreiben auf dem Tisch in ihren Verfügungsbereich gelangte. Eine Zeugin bestätigte, dass die Klägerin das Schreiben nahm und las.
- Die Bedeutung: Wird eine Kündigung persönlich übergeben, gilt sie als zugegangen, sobald der Empfänger Kenntnis nehmen kann. Wird danach die Frist zur Klage versäumt, gilt die Kündigung automatisch als rechtens.
Kündigung auf den Tisch gelegt: Wann gilt sie als zugegangen?
Ein Briefumschlag liegt auf einem Besprechungstisch. Er enthält eine Kündigung. Die entscheidende Frage: Ist das Ablegen des Schreibens mit den Worten „der Form halber“ bereits eine wirksame Übergabe? Oder muss der Empfänger das Dokument aktiv entgegennehmen, damit rechtliche Fristen zu laufen beginnen? Über diesen entscheidenden Moment im Arbeitsrecht, der über die Wirksamkeit einer Kündigungsschutzklage entscheiden kann, urteilte das Hessische Landesarbeitsgericht am 30. Mai 2025 (Az.: 10 SLa 1163/24). Der Fall beleuchtet messerscharf, wann genau eine schriftliche Kündigung als „zugegangen“ gilt – und welche fatalen Folgen ein Missverständnis hierbei haben kann.
Was war im Detail passiert?
Eine Geschäftsleiterin befand sich in einem angespannten Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber, insbesondere zu einem Vorstand des Unternehmens, mit dem sie eine intime Beziehung unterhalten hatte. Die Situation eskalierte nach einer E-Mail der Frau vom 1. Februar 2024, in der sie dem Vorstand schwerwiegende Vorwürfe bezüglich der gemeinsamen Silvesternacht machte. Am 26. April 2024 kam es gegen 18:00 Uhr zu einem Gespräch zwischen den beiden in einem Besprechungsraum, den die Geschäftsleiterin zu dieser Zeit als ihr Büro nutzte. Im Verlauf des Gesprächs verließ der Vorstand kurz den Raum, kehrte mit einem Briefumschlag zurück, legte diesen auf den Tisch und sagte: „der Form halber“. Was danach geschah, sahen beide Parteien völlig unterschiedlich. Die Geschäftsleiterin behauptete, die Übergabe sei nicht eindeutig gewesen. Der Umschlag sei nur kurz vorgelegt oder womöglich sofort wieder entfernt worden. Sie sah die Kündigung zudem als unzulässige Maßregelung – eine Racheaktion des Vorstands für ihre Konfrontation mit den Vorwürfen aus der Silvesternacht. Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, die Kündigung sei an diesem Tag wirksam übergeben und zugegangen. Der Vorstand habe das unterschriebene Kündigungsschreiben im Büro der Geschäftsleiterin auf den Tisch gelegt, und diese habe es auch entgegengenommen und gelesen. Die Geschäftsleiterin wartete bis zum 17….