Ein Handwerksbetrieb führte Putz- und Trockenbauarbeiten (Werkvertrag) am Haus durch und kassierte dafür 11.600 Euro Abschlagszahlungen. Wegen einer fehlenden Belehrung musste der Betrieb die volle Summe zurückzahlen, obwohl die Leistung erbracht war. Zum vorliegenden Urteil Az.: 29 U 38/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 23.05.2025
- Aktenzeichen: 29 U 38/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Verbraucherschutz, Widerrufsrecht, Werkvertragsrecht
- Das Problem: Eine Hauseigentümerin beauftragte einen Handwerker mit Bauarbeiten an ihrem Haus. Sie leistete Abschlagszahlungen, widerrief dann aber den Vertrag und forderte 11.600 Euro zurück. Der Handwerker lehnte die Rückzahlung ab, weil er ein Widerrufsrecht verneinte.
- Die Rechtsfrage: Gilt für einen Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht, wenn der Werkvertrag nicht im Büro des Handwerkers, sondern durch den Beginn der Arbeiten auf der Baustelle zustande kommt?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht stellte fest, dass der Vertrag auf dem Grundstück und bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien geschlossen wurde. Damit liegt ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen vor. Die Kundin hatte mangels korrekter Belehrung ein verlängertes Widerrufsrecht und bekommt die Abschlagszahlungen vollständig zurück.
- Die Bedeutung: Verbraucher, die Handwerker für Teilarbeiten am Haus beauftragen, haben ein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag auf der Baustelle geschlossen wird. Wurde der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über dieses Recht belehrt, kann er den Vertrag auch lange Zeit später noch widerrufen.
Wann macht ein Klick im Kopf den Werkvertrag auf der Baustelle ungültig?
Ein Vertragsschluss ist mehr als nur eine Unterschrift unter einem Dokument. Manchmal entsteht er stillschweigend, mitten im Baustellenlärm. Doch was passiert, wenn dieser Moment an einem Ort stattfindet, der dem Verbraucher ein besonderes Schutzrecht einräumt? Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 23. Mai 2025 (Az.: 29 U 38/24) eine präzise Antwort auf diese Frage gefunden. Es zeigt, dass der entscheidende Moment für einen Vertragsschluss nicht immer in E-Mails oder Vertragsentwürfen zu finden ist, sondern im tatsächlichen Handeln der Beteiligten – mit weitreichenden finanziellen Folgen für einen Handwerksbetrieb, der Abschlagszahlungen in Höhe von 11.600 Euro zurückzahlen musste.
Was genau war passiert?
Eine Hauseigentümerin plante Umbau- und Erweiterungsarbeiten an ihrem Wohnhaus. Konkret ging es um Innenputz-, Maler- und Trockenbauarbeiten. Ihr Architekt holte dafür Angebote ein und wandte sich unter anderem an einen Handwerksbetrieb. Dieser legte am 12. Juli 2020 ein entsprechendes Angebot vor. Der entscheidende Schriftverkehr folgte am 1. September 2020. An diesem Tag schickte der Architekt dem Handwerker im Namen der Bauherrin einen sogenannten Einheits-Bauvertrag per E-Mail. Dieses Dokument enthielt die Vertragsbedingungen und ein detailliertes Leistungsverzeichnis. Allerdings hatte die Bauherrin darin einige Positionen gestrichen. Noch wichtiger: Das für sie vorgesehene Unterschriftenfeld war leer. Auch der Handwerker unterschrieb das Dokument zunächst nicht. Trotz dieser fehlenden Formalien begann der Betrieb noch im September 2020 mit den Arbeiten auf der Baustelle. Die Bauherrin akzeptierte dies und leistete im Laufe der Zeit Abschlagszahlungen von insgesamt 11.600 Euro….