Nach wiederholten Alkoholfahrten mit dem Fahrrad ordnete die Behörde die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an und forderte eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Trotz der unbestreitbaren Eignungszweifel des Betroffenen steht die gesetzliche Grundlage dieser weitreichenden Anordnung plötzlich grundlegend zur Disposition. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 LB 181/24 OVG | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 02.04.2025
- Aktenzeichen: 1 LB 181/24 OVG
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht
- Das Problem: Eine Bürgerin wurde wiederholt alkoholisiert auf dem Fahrrad erwischt. Die Fahrerlaubnisbehörde untersagte ihr daraufhin das Führen aller fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge. Die Bürgerin klagte gegen dieses weitreichende Fahrverbot.
- Die Rechtsfrage: Darf die Behörde das Fahren eines Fahrrads verbieten, wenn die gesetzliche Grundlage dafür zu unbestimmt ist?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht erklärte die gesetzliche Ermächtigung für das Verbot als unwirksam. Die gesetzliche Grundlage verstößt gegen die Grundsätze der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit.
- Die Bedeutung: Die weitreichende Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge hat derzeit keine tragfähige gesetzliche Grundlage. Behördliche Verbote dieser Art sind daher rechtswidrig und müssen aufgehoben werden.
Darf die Behörde ein Fahrverbot für das Fahrrad nach einer Alkoholfahrt verhängen?
Wer mehrfach betrunken Fahrrad fährt, dem kann die Fahrerlaubnisbehörde die Nutzung jeglicher fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagen – so war bisher die gängige Praxis. Doch genau diese Praxis hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einem Urteil vom 2. April 2025 (Az.: 1 LB 181/24 OVG) gekippt. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die gesetzliche Grundlage für ein solches weitreichendes Verbot verfassungswidrig ist. Sie gaben damit einer Frau Recht, der nach wiederholten Alkoholfahrten mit dem Fahrrad genau dies untersagt worden war. Das Urteil offenbart eine entscheidende Lücke im deutschen Verkehrsrecht und stellt die Befugnisse der Behörden infrage.
Was war genau passiert? Der Weg zum Fahrrad-Fahrverbot
Die Geschichte der Klägerin im Umgang mit Alkohol und Verkehr war lang und problematisch. Bereits im Jahr 2018 hatte ihr das Amtsgericht Stralsund die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge entzogen. Der Grund: eine Unfallfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,14 Promille. Doch auch ohne Führerschein blieb die Frau mobil – mit dem Fahrrad. Dies führte zu weiteren Konflikten mit dem Gesetz. Im November 2019 stürzte sie mit dem Rad; eine Blutprobe ergab einen schockierenden Wert von 3,07 Promille. Weniger als ein Jahr später, im August 2020, wurde sie erneut auf dem Fahrrad kontrolliert, diesmal mit 1,79 Promille. Beide Vorfälle führten zu rechtskräftigen Strafbefehlen wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr. Für die zuständige Fahrerlaubnisbehörde war das Maß nun voll. Sie sah in den wiederholten Alkoholfahrten, auch wenn sie „nur“ mit dem Fahrrad stattfanden, einen klaren Beleg für eine fortbestehende Eignungsproblematik. Im Februar 2021 forderte die Behörde die Frau daher auf, ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten (MPU) beizubringen. Die Frau weigerte sich. Stattdessen legte sie ärztliche Berichte aus einer Suchtklinik vor, die sie seit April 2021 besuchte….