Ein Vertriebspartner forderte Millionenprovisionen aus dem lukrativen Schnelltest-Geschäft, obwohl der zugrundeliegende Vertrag lediglich als Kooperationsvertrag deklariert wurde. Das OLG Frankfurt musste klären, ob ein Handelsvertretervertrag trotz Kooperationsvertrag vorliegt und welche Auskunftsrechte dem Partner nun tatsächlich zustehen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 U 193/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 08.07.2025
- Aktenzeichen: 14 U 193/23
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Handelsvertreterrecht, Vertragsrecht, Kaufrecht
- Das Problem: Eine Vertriebspartnerin stritt mit einem Hersteller von Corona-Tests um Provisions-, Ausgleichs- und Schadensersatzzahlungen. Der Hauptstreitpunkt war die rechtliche Natur des geschlossenen Kooperationsvertrags.
- Die Rechtsfrage: Gilt unser „Kooperationsvertrag“ tatsächlich als Handelsvertretervertrag und habe ich als Partnerin deshalb einen Anspruch auf Auskünfte und Provisionen?
- Die Antwort: Ja, das Gericht stellte fest, dass die tatsächliche Ausgestaltung einem Handelsvertretervertrag entspricht. Die Vertriebspartnerin hat somit Anspruch auf einen detaillierten Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte. Über die geforderten Provisions- und Ausgleichszahlungen muss das Landgericht erneut verhandeln und entscheiden.
- Die Bedeutung: Der Vertragstyp wird durch die tatsächliche Verpflichtung zur ständigen Geschäftsvermittlung bestimmt, nicht durch die Bezeichnung. Dies löst für den Vertriebspartner starke Informationsrechte gegen den Vertragspartner aus.
Handelsvertreter trotz Kooperationsvertrag: Wann zählt der Inhalt mehr als der Titel?
Ein Vertrag, zwei Interpretationen und ein Streitwert in Millionenhöhe – inmitten des boomenden Geschäfts mit Corona-Schnelltests entbrannte zwischen einer Herstellerin und ihrer Vertriebspartnerin ein fundamentaler Rechtsstreit. Obwohl ihr Vertrag als „Kooperationsvertrag“ überschrieben war, sah sich die Vertriebspartnerin als Handelsvertreterin mit weitreichenden Rechten. Die Herstellerin widersprach vehement. In diesem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 08. Juli 2025 (Az. 14 U 193/23) eine grundlegende Frage des Vertriebsrechts klären: Entscheidet der Name eines Vertrages über seine rechtliche Natur oder kommt es allein auf den gelebten Inhalt der Zusammenarbeit an?
Ein lukratives Geschäft in der Pandemie: Was war genau passiert?
Am 2. März 2021, auf dem Höhepunkt der Nachfrage nach Corona-Tests, schlossen die beiden Unternehmen einen Vertrag. Die Aufgabe der Vertriebspartnerin war klar definiert: Sie sollte bestimmte Corona-Tests der Herstellerin vermitteln und den Vertrieb ankurbeln. Die Zusammenarbeit lief an und die Vertriebspartnerin akquirierte erfolgreich Kunden, darunter auch den Z-Konzern, ein potenzielles Großgeschäft. Doch die Beziehung zerbrach nach wenigen Monaten. Die Vertriebspartnerin warf der Herstellerin vor, ihr die Abschlussvollmacht entzogen und die Annahme von vermittelten Bestellungen eingestellt zu haben. Darin sah sie einen schwerwiegenden Vertragsbruch und kündigte im September und Oktober 2021 fristlos. Die Herstellerin sprach ihrerseits ebenfalls eine Kündigung aus….