Wegen einer schweren Bissverletzung und der daraus folgenden CRPS-Erkrankung klagte eine Hundehalterin auf Schadensersatz gegen den Halter eines großen Hundes. Das Gericht bejahte die Haftung für Hundebiss bei Tiergefahr, kürzte den Schadensersatz dennoch um 30 Prozent. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 878/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Rostock
- Datum: 06.02.2024
- Aktenzeichen: 3 O 878/21
- Verfahren: Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Tierhalterhaftung, Schadensersatzrecht, Mitverschulden
- Das Problem: Eine Frau wurde beim Spaziergang von einem großen, unangeleinten Hund verletzt und erlitt schwere Schäden an ihrer rechten Hand. Sie verlangte vom Hundehalter Schmerzensgeld und Ersatz für Verdienstausfälle und Behandlungskosten. Der Halter bestritt den Biss durch seinen Hund und die Schwere der Verletzung.
- Die Rechtsfrage: Muss der Halter des großen Hundes haften, wenn nicht eindeutig bewiesen werden kann, welcher Hund gebissen hat, die Gefahr aber von seinem unkontrollierten Tier ausging?
- Die Antwort: Ja, der Hundehalter muss haften, weil die spezifische Gefahr, die von seinem großen, unkontrollierbaren Hund ausging, die Verletzung mitverursachte. Weil die Klägerin ihren eigenen, kleinen Hund ebenfalls nicht angeleint hatte, wurde ihr Anspruch wegen Mitverschuldens um 30 Prozent gekürzt. Der Halter muss insgesamt 8.587,27 Euro an die Klägerin zahlen.
- Die Bedeutung: Tierhalter haften grundsätzlich für Schäden durch ihre Tiere, auch wenn der direkte Schadensbeweis schwierig ist. Wer seinen eigenen Hund nicht anleint, muss einen Teil des Schadens als Mitverschulden selbst tragen.
Haftung für Hundebiss bei Tiergefahr: Wer zahlt, wenn unklar ist, welcher Hund zugebissen hat?
Können Sie als Hundehalter für eine Bissverletzung haftbar gemacht werden, selbst wenn nicht bewiesen ist, dass Ihr Hund tatsächlich zugebissen hat? Genau diese komplexe Frage beantwortete das Landgericht Rostock in einem Urteil vom 6. Februar 2024 (Az.: 3 O 878/21). Der Fall zeigt eindrücklich, dass die reine Anwesenheit und das unkontrollierte Verhalten eines Tieres ausreichen können, um die sogenannte Tierhalterhaftung auszulösen – auch wenn der genaue Hergang im Dunkeln bleibt. Das Gericht musste dabei nicht nur die Schuldfrage klären, sondern auch eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen den beteiligten Hundehaltern finden.
Was genau war an jenem Abend in Rostock passiert?
An einem Oktoberabend ging eine ausgebildete Krankenschwester mit ihrer Tochter und ihrem kleinen, etwa vier Kilogramm schweren Yorkshire-Terrier spazieren. Ihr Hund war nicht angeleint. In der Nähe befanden sich der Halter eines rund 60 Kilogramm schweren belgischen Schäferhundmischlings und dessen Freundin. Der Mann übergab seiner Freundin kurz die Leine, um sich eine Zigarette anzuzünden. In diesem Moment nahm das Geschehen eine dramatische Wendung. Der große Hund rannte plötzlich um eine Hausecke auf die Frau und ihren kleinen Terrier zu. Er riss sich los und war für die Freundin nicht mehr zu kontrollieren. Unmittelbar nach dieser Begegnung bemerkte die Krankenschwester eine kleine, blutende Wunde an ihrer rechten Hand. Alle Anwesenden gingen vor Ort von einem Hundebiss aus; die Freundin des Halters reichte der Verletzten ein Taschentuch und bemerkte, man müsse für den Hund wohl einen Maulkorb anschaffen. Die Folgen der scheinbar kleinen Verletzung waren gravierend….