Ein Erbe wollte den Widerruf vom gemeinschaftlichen Testament vor dem Tod der Partnerin erklären und ließ die notarielle Urkunde zustellen. Das Oberlandesgericht musste klären, warum eine zugestellte beglaubigte Abschrift für diesen Schritt nicht ausreichen sollte. Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 W 56/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 05.06.2024
- Aktenzeichen: 6 W 56/24
- Verfahren: Erbrechtliches Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilrecht
- Das Problem: Der überlebende Ehemann und ein Dritter streiten um das Erbe der verstorbenen Ehefrau. Die Frau hatte versucht, ihren Ehemann als Alleinerben aus einem gemeinsamen Testament auszuschließen. Strittig war, ob der Widerruf des Testaments beim Ehemann wirksam angekommen ist.
- Die Rechtsfrage: Reicht die Zustellung einer Kopie eines notariell beurkundeten Testamentswiderrufs aus, um den ursprünglichen Erben auszuschließen? Oder muss zwingend das Original (die notarielle Ausfertigung) rechtzeitig zugestellt werden?
- Die Antwort: Nein. Die Ehefrau konnte den Ehemann nicht wirksam enterben. Für den Widerruf einer testamentarischen Verfügung ist die Zustellung der notariellen Originalurkunde (Ausfertigung) zwingend erforderlich. Die zugestellte Kopie machte den Widerruf unwirksam, sodass das alte gemeinschaftliche Testament gilt.
- Die Bedeutung: Bei der Zustellung wichtiger notarieller Willenserklärungen muss gegenüber abwesenden Personen stets die Originalurkunde (Ausfertigung) übermittelt werden. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt nicht und macht die Erklärung juristisch unwirksam.
Widerruf vom gemeinschaftlichen Testament: Warum eine beglaubigte Abschrift nicht ausreicht
Ein gemeinsames Testament, geschlossen in Einigkeit zwischen Ehepartnern, soll für Klarheit und Sicherheit sorgen. Doch was passiert, wenn einer der Partner seine Meinung ändert und den letzten Willen einseitig widerrufen möchte? Dass hierbei ein scheinbar kleines formales Detail über die gesamte Erbfolge entscheiden kann, zeigt ein bemerkenswerter Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 05. Juni 2024 (Az. 6 W 56/24). Der Fall dreht sich um die entscheidende Frage, ob die Zustellung einer bloßen Kopie ausreicht, um den Partner wirksam über den Widerruf zu informieren – mit weitreichenden Konsequenzen für die Erben.
Ein letzter Wille mit weitreichenden Folgen
Die Geschichte beginnt im Jahr 2006. Ein Ehepaar errichtet ein notarielles gemeinschaftliches Testament. Darin setzen sie sich gegenseitig als Alleinerben ein – ein klassischer Fall, der dem überlebenden Partner Stabilität sichern soll. Sechzehn Jahre später, im Juni 2022, entschließt sich die Ehefrau jedoch zu einem radikalen Schritt. Sie geht zu einem Notar und lässt zwei Urkunden aufsetzen: ein neues, eigenständiges Testament, in dem sie eine andere Person als alleinigen Erben einsetzt, und eine separate Erklärung, mit der sie ihre Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament von 2006 widerruft. Nach dem Tod der Frau entbrannte der Streit. Der Ehemann, der auf das ursprüngliche Testament vertraute, beantragte einen Erbschein als Alleinerbe und erklärte die Annahme der Erbschaft. Gleichzeitig beantragte er die Einrichtung einer sogenannten Nachlasspflegschaft. Dies ist ein Sicherungsinstrument, das dann greift, wenn unklar ist, wer die Erben sind, um das Vermögen bis zur Klärung zu schützen (§ 1960 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB))….