Trotz einer gerichtlichen Anordnung zur Rückgabe des Erbscheins hielt die eingetragene Eigentümerin am Verkauf fest und berief sich auf die Vermutung der Richtigkeit der Grundbucheintragung. Das OLG München musste klären, ob ein Grundbuchamt wegen bloßer Zweifel an der Erbenstellung eine dringend benötigte Eintragung verweigern darf. Zum vorliegenden Urteil Az.: 34 Wx 240/23 e | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 27.09.2023
- Aktenzeichen: 34 Wx 240/23 e
- Verfahren: Beschluss
- Rechtsbereiche: Grundbuchrecht, Erbrecht
- Das Problem: Eine Person war bereits als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Sie wollte das Grundstück an neue Käufer weiterverkaufen (Eintragung einer Vormerkung). Das Grundbuchamt stoppte die Eintragung. Es verlangte einen neuen Erbschein, weil ein Gericht zuvor Zweifel an der Erbenstellung geäußert hatte.
- Die Rechtsfrage: Darf das Grundbuchamt eine neue Eintragung ablehnen, wenn es nur vage Zweifel an der Eigentümerstellung des aktuell eingetragenen Inhabers hat? Oder zählt die offizielle Eintragung im Grundbuch mehr als diese Zweifel?
- Die Antwort: Die Beschwerde war erfolgreich. Das Grundbuchamt durfte die Eintragung nicht verweigern. Die Eintragung im Grundbuch wird als richtig vermutet.
- Die Bedeutung: Die hohe Schutzwirkung der amtlichen Grundbucheintragung bleibt bestehen. Bloße Zweifel, selbst wenn sie durch gerichtliche Anordnungen begründet sind, reichen nicht aus, um die Eintragungsfähigkeit eines bereits eingetragenen Eigentümers zu blockieren.
Darf das Grundbuchamt eine Eintragung verweigern, nur weil es am Erbe zweifelt?
Ein Eintrag im Grundbuch gilt im deutschen Recht als eine Art Fels in der Brandung. Er schafft Vertrauen und sorgt für Sicherheit im Immobilienverkehr. Doch was passiert, wenn dieser Fels Risse bekommt? Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Eigentümereintragung aufkommen, die auf einem möglicherweise fehlerhaften Erbschein beruht? Mit genau dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht München in seinem Beschluss vom 27. September 2023 (Az. 34 Wx 240/23 e) befassen. Der Fall beleuchtet das Spannungsfeld zwischen der schützenden Wirkung einer Grundbucheintragung und der Prüfpflicht des Grundbuchamts, wenn die Kette des Eigentumsübergangs plötzlich in Frage gestellt wird.
Was genau war passiert?
Die Geschichte beginnt mit einem Grundstück, das ursprünglich einer Frau gehörte. Nach ihrem Tod wies das Nachlassgericht am 12. Dezember 2022 einen Mann per Erbschein als alleinigen Erben aus. Gleichzeitig wurde einer anderen Frau ein Zeugnis als Testamentsvollstreckerin ausgestellt. In Erfüllung der erbrechtlichen Anordnungen übertrug der Erbe das Grundstück am 5. Juni 2023 an ebenjene Testamentsvollstreckerin. Diese wurde daraufhin am 5. Juli 2023 als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Doch kaum einen Monat später, am 4. August 2023, schlug das Nachlassgericht Alarm. Es hegte mittlerweile Zweifel an der Richtigkeit des ursprünglichen Erbscheins und erließ eine einstweilige Anordnung nach § 49 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Der Erbe und die Testamentsvollstreckerin wurden aufgefordert, die Ausfertigungen des Erbscheins und des Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückzugeben. Ungeachtet dieser Entwicklung verkaufte die nun im Grundbuch eingetragene Eigentümerin das Grundstück am 17. August 2023 an zwei Käufer….