Ein internationaler Kunststoffhersteller kündigte Mitarbeiter wegen des Wegfalls ungelernter Hilfstätigkeiten nach einer Umstrukturierung. Die erforderliche gesteigerte Darlegungspflicht bei Kündigung konnte das Unternehmen nicht erfüllen, weil detaillierte Personalbedarfsrechnungen und Umschulungsprüfungen fehlten. Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 SLa 235/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland‑Pfalz
- Datum: 08.07.2025
- Aktenzeichen: 6 SLa 235/24
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Kündigungsschutz, Arbeitsrecht
- Das Problem: Ein technischer Hersteller kündigte einem langjährigen, ungelernten Arbeiter betriebsbedingt. Der Arbeitgeber begründete dies mit einer Umstrukturierung, bei der diese unterste Hierarchieebene wegfallen sollte.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Arbeitgeber im Falle einer Umstrukturierung genau beweisen, dass die Stelle wirklich wegfällt und die verbleibenden Mitarbeiter die Aufgaben ohne Überlastung übernehmen können?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht befand die Kündigung für unwirksam. Der Arbeitgeber hatte nicht ausreichend konkret dargelegt, wie die bisherige Arbeit ohne überobligatorische Mehrarbeit auf die übrigen Angestellten verteilt werden sollte.
- Die Bedeutung: Bei betriebsbedingten Kündigungen, die auf einer organisatorischen Umstellung beruhen, muss der Arbeitgeber die Notwendigkeit des Stellenabbaus präzise belegen. Er muss auch prüfen, ob Umschulungen oder Versetzungen infrage kommen.
Kündigung wegen Umstrukturierung: Warum eine reine Management-Entscheidung als Kündigungsgrund oft nicht genügt
Eine unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Doch was passiert, wenn diese Entscheidung praktisch deckungsgleich mit dem Entschluss ist, einen bestimmten Mitarbeiter zu entlassen? In einem solchen Fall reicht die bloße Behauptung einer neuen Strategie nicht aus. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juli 2025 (Az.: 6 SLa 235/24) zeigt eindrücklich, dass Arbeitgeber dann lückenlos beweisen müssen, wie die Arbeit künftig ohne den Gekündigten und ohne unzumutbare Mehrarbeit für die verbleibenden Kollegen erledigt werden soll.
Was war der Auslöser für den Rechtsstreit?
Im Zentrum des Falles stand ein seit November 2021 beschäftigter Arbeiter in der Abteilung „CNC-Fräsen“ eines international tätigen Kunststoffherstellers. Seine Aufgabe war unkompliziert, aber essenziell: Er legte Kunststoffrohlinge in bereits programmierte Fräsmaschinen ein, startete den Bearbeitungsvorgang, entnahm die fertigen Teile und führte eine erste Maßkontrolle durch. Für die Programmierung der komplexen Maschinen waren hingegen ausgebildete Fachkräfte zuständig. Im Februar 2024 erhielt der Arbeiter, ebenso wie ein Kollege mit identischen Aufgaben, die ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Die Begründung des Unternehmens klang strategisch und zukunftsorientiert: Man habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, die „unterste Hierarchieebene“ der ungelernten Kräfte in dieser Abteilung komplett abzuschaffen. Künftig sollten nur noch Mitarbeiter mit Programmierkenntnissen die Maschinen bedienen. Dies, so die Argumentation, steigere die Effizienz erheblich. Bisher hätten die ungelernten Kräfte bei Maßabweichungen oder Problemen stets einen Facharbeiter hinzuziehen müssen, was zu kostspieligen Unterbrechungen geführt habe….