Die obsiegende Partei forderte nach dem Erbscheinsverfahren die Erstattung der Anwaltskosten nach Kostenentscheidung gemäß FamFG von der unterlegenen Gegenseite. Obwohl das Gericht die „Kosten des Verfahrens“ auferlegte, verweigerte der Rechtspfleger die Festsetzung der außergerichtlichen Aufwendungen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 9 W 95/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig‑Holstein
- Datum: 08.10.2025
- Aktenzeichen: 9 W 95/25
- Verfahren: Kostenfestsetzung im Nachlassverfahren
- Rechtsbereiche: Nachlassrecht, Kostenrecht, Familienverfahrensrecht
- Das Problem: Eine Erbin gewann einen Streit um den Erbschein gegen ihre Schwester. Das Gericht ordnete an, die unterlegene Schwester trage „die Kosten des Verfahrens“. Die Erbin forderte daraufhin die Erstattung ihrer eigenen Anwaltskosten.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Unterlegener die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen, wenn das Gericht nur allgemein anordnet, er trage „die Kosten des Verfahrens“?
- Die Antwort: Nein. Die allgemeine Formulierung „Kosten des Verfahrens“ reicht nicht. Das Gericht muss ausdrücklich und begründet entscheiden, dass auch die Anwaltskosten der Gegenseite zu erstatten sind.
- Die Bedeutung: Gerichte müssen Kostenentscheidungen im Nachlassverfahren klar formulieren. Ohne eine konkrete Anordnung des Richters trägt jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten, selbst wenn sie den Prozess gewonnen hat.
Kosten des Verfahrens: Deckt diese Klausel auch Ihre Anwaltskosten?
Ein Sieg vor Gericht fühlt sich oft erst dann vollständig an, wenn die unterlegene Partei nicht nur den Rechtsstreit verliert, sondern auch die Kosten dafür übernehmen muss. Doch was genau bedeutet die richterliche Anordnung, jemand trage „die Kosten des Verfahrens“? Umfasst diese scheinbar klare Formulierung auch die teils erheblichen Rechnungen des eigenen Anwalts? In einem aufschlussreichen Beschluss vom 8. Oktober 2025 (Az. 9 W 95/25) hat das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein diese Frage präzise beantwortet und eine weit verbreitete Annahme korrigiert. Der Fall zeigt, dass es auf eine entscheidende juristische Feinheit ankommt, die den Unterschied zwischen voller Kostenerstattung und einem hohen finanziellen Eigenanteil ausmachen kann.
Wie ein Erbstreit zu einem zweiten Verfahren über die Kosten führte
Am Anfang stand ein klassischer Konflikt innerhalb einer Familie. Nach dem Tod ihrer Mutter beantragte eine Frau am 3. März 2023 beim Amtsgericht Neumünster einen Erbschein. Dieser sollte sie auf Grundlage eines handschriftlichen Testaments vom 19. Juli 2022 als alleinige Erbin ausweisen. Doch ihre Schwester war mit diesem letzten Willen nicht einverstanden. Sie hielt das Testament für unwirksam und beantragte, den Erbscheinsantrag ihrer Schwester zurückzuweisen. Das Nachlassgericht nahm den Streit ernst. Es holte zwei Sachverständigengutachten ein und vernahm Zeugen, um die Gültigkeit des Testaments zu prüfen. Am 25. März 2025 fällte das Gericht seine Entscheidung: Es stellte fest, dass die Fakten für die Erteilung des Erbscheins an die antragstellende Schwester vorlagen. Sie hatte den Erbstreit also gewonnen. In diesem Beschluss regelte das Gericht auch die Kosten und formulierte den entscheidenden Satz: „Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte zu 2) mit Ausnahme der Kosten, die für die Beantragung des Erbscheins anfallen, diese trägt die Beteiligte zu 1) .“ Nachdem der Beschluss rechtskräftig war, erhielt die Siegerin den Erbschein….