In einem Berliner Testament wurde die spätere Ex-Schwiegertochter als Ersatzerbin eingesetzt. Obwohl sie keinen familiären Status mehr hatte, musste das Gericht prüfen, ob die Wechselbezüglichkeit der Ersatzerbeneinsetzung die Witwe dennoch bindet. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 79/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 04.07.2025
- Aktenzeichen: 3 W 79/24
- Verfahren: Erbscheinsverfahren (Beschwerde)
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsrecht
- Das Problem: Ein Ehepaar hatte in einem gemeinschaftlichen Testament ihren Sohn und dessen Ehefrau als Ersatzerbin eingesetzt. Nach dem Tod ihres Mannes errichtete die überlebende Ehefrau ein neues Einzeltestament, das andere Personen begünstigte. Es stritten die neue Partnerin des verstorbenen Sohnes und dessen geschiedene Ehefrau um das Erbe.
- Die Rechtsfrage: War die verstorbene Frau durch ihr altes Gemeinschaftliches Testament daran gebunden, die Ehefrau ihres verstorbenen Sohnes als Ersatzerbin einzusetzen?
- Die Antwort: Nein. Die überlebende Ehefrau war in diesem Punkt nicht an das gemeinschaftliche Testament gebunden. Die Einsetzung der Schwiegertochter als Ersatzerbin war nicht wechselbezüglich. Das spätere Einzeltestament der Erblasserin war daher wirksam.
- Die Bedeutung: Die typische Bindungswirkung eines Berliner Testaments auf die Schlusserbeneinsetzung gilt nicht automatisch für nicht verwandte Ersatzerben. Für eine bindende Einsetzung nicht verwandter Schwiegerkinder muss ein besonderes, über das normale Maß hinausgehendes Näheverhältnis bewiesen werden.
Bindung an die Schwiegertochter? Warum ein neues Testament trotz alter Versprechen gültig sein kann
Ein gemeinschaftliches Testament, oft als „Berliner Testament“ bekannt, soll für Klarheit und Sicherheit sorgen. Doch was passiert, wenn sich das Leben dramatisch ändert und die im Testament bedachten Personen nicht mehr die gleichen sind wie Jahrzehnte zuvor? In einem bemerkenswerten Fall musste das Oberlandesgericht Brandenburg am 4. Juli 2025 (Az. 3 W 79/24) entscheiden, ob eine Witwe an die Einsetzung ihrer ehemaligen Schwiegertochter als Ersatzerbin gebunden war oder ob sie die Erbfolge durch ein neues, eigenes Testament frei gestalten durfte. Die Entscheidung beleuchtet einen entscheidenden juristischen Mechanismus im Erbrecht: die sogenannte Wechselbezüglichkeit einer Ersatzerbeneinsetzung und die Frage, wann ein Versprechen im Testament auch nach dem Tod des Partners noch bindet.
Was war der Auslöser des Erbstreits?
Die Geschichte beginnt am 20. Dezember 1994. Ein Ehepaar errichtet ein notarielles gemeinschaftliches Testament. Ihre Regelung ist klassisch: Zuerst setzen sie sich gegenseitig als alleinige Erben ein. Nach dem Tod des länger lebenden Partners soll ihr gemeinsamer Sohn alles erben. Für den Fall, dass der Sohn vor ihnen versterben sollte, treffen sie eine weitere Vorkehrung: Ersatzerbin soll „dessen Ehefrau“ werden, die namentlich im Testament genannt wird. Fünf Jahre später, 1999, verstirbt der Ehemann. Seine Frau wird, wie im Testament vorgesehen, Alleinerbin. Doch das Familiengefüge, das 1994 die Grundlage des Testaments bildete, beginnt sich zu verändern. Im Jahr 2000 trennt sich der Sohn von seiner Ehefrau, der im Testament benannten Ersatzerbin. Er geht eine neue, langjährige Beziehung mit einer anderen Frau ein. 2018, als die Mutter bereits hochbetagt ist, verfasst sie ein neues, handschriftliches Einzeltestament….