Ein Erbe schlug das Vermögen vor zwölf Jahren aus Furcht vor Schulden aus, nur um später 51.000 Euro zu entdecken. Trotz der späten Entdeckung stellte sich die Frage, ob eine vage Befürchtung die Anfechtung der Erbausschlagung wegen Irrtums rechtlich zulässt. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 63/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
- Datum: 01.07.2025
- Aktenzeichen: 3 W 63/25
- Verfahren: Beschwerdeverfahren in einer Nachlasssache
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Anfechtung, Nachlassverfahren
- Das Problem: Ein Erbe schlug die Erbschaft aus, weil er von einer Überschuldung ausging. Als er Jahre später vom tatsächlichen, positiven Nachlasswert erfuhr, focht er seine Ausschlagung an. Der nachrangige Erbe wehrte sich dagegen.
- Die Rechtsfrage: Kann eine Erbausschlagung erfolgreich rückgängig gemacht werden, wenn der Erbe meint, er habe sich über die Überschuldung des Nachlasses geirrt?
- Die Antwort: Nein. Der Erbe muss konkret belegen, dass er sich über bestimmte Vermögenswerte oder Schulden im Nachlass geirrt hat. Bloße pauschale Vermutungen, Befürchtungen oder Spekulationen reichen nicht aus, um die Ausschlagung zu beseitigen.
- Die Bedeutung: Wer seine Erbausschlagung wegen eines Irrtums über den Nachlass nachträglich anfechten will, muss konkrete Fakten übersehen haben oder falsch eingeschätzt haben. Die bloße Angst vor Schulden ist rechtlich irrelevant.
Kann man eine Erbausschlagung wegen Irrtums über die Überschuldung rückgängig machen?
Eine Erbschaft auszuschlagen ist oft eine Entscheidung unter Zeitdruck und Unsicherheit. Was aber, wenn sich Jahre später herausstellt, dass der vermeintliche Schuldenberg in Wahrheit ein beträchtliches Vermögen war? Ein Mann, der genau das erlebte, versuchte, seine Ausschlagung rückgängig zu machen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf musste in seinem Beschluss vom 1. Juli 2025 (Az.: 3 W 63/25) klären, unter welchen strengen Voraussetzungen ein solcher Schritt überhaupt möglich ist und warum vage Vermutungen über Schulden dafür nicht ausreichen.
Was war genau passiert? Der Weg vom vermeintlichen Schuldenberg zum unerwarteten Vermögen
Im Jahr 2012 verstarb ein Mann ohne Testament, geschieden und kinderlos. Nach der gesetzlichen Erbfolge wären seine nächsten Verwandten erbberechtigt gewesen. Seine Schwester war jedoch bereits verstorben, sodass ihr Sohn, der Neffe des Erblassers, an ihre Stelle trat. Der Neffe stand vor einer schwierigen Entscheidung. Er kannte die finanzielle Situation seines Onkels nur oberflächlich, doch die Anzeichen waren beunruhigend. Das einzige nennenswerte Vermögen schien eine Immobilie zu sein, die jedoch durch ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht für eine andere Person stark an Wert gemindert war. Zudem fand er Rechnungen eines Pay-TV-Anbieters, Mahnungen und Hinweise auf ein überzogenes Girokonto. Er wusste, dass sein Onkel keine nennenswerten Einkünfte hatte und ihm sogar ein Kredit verweigert worden war. Unter dem Eindruck, dass die Verbindlichkeiten den Wert des Hauses bei Weitem übersteigen würden, traf er eine folgerichtige Entscheidung: Im Oktober 2012 schlug er die Erbschaft für sich und seine drei minderjährigen Kinder notariell beglaubigt aus, um sich und seine Familie vor einer Schuldenübernahme zu schützen. Da zunächst keine weiteren Erben ermittelt werden konnten, fiel das Erbe an den Staat. Die Sache schien erledigt. Zwölf Jahre später, im Mai 2024, nahm der Fall eine überraschende Wendung….