Eine schwer kranke Erblasserin konnte ihre geplante Wohnung nie beziehen, weshalb ihr Erbe die Familienheim-Steuerbefreiung bei Erbschaft trotzdem geltend machte. Die Anwälte argumentierten mit zwingenden Krankheitsgründen, doch das Gesetz stellt andere Anforderungen an den „Mittelpunkt des familiären Lebens“. Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 K 14131/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
- Datum: 19.12.2024
- Aktenzeichen: 14 K 14131/22
- Verfahren: Klage
- Rechtsbereiche: Erbschaftsteuerrecht, Steuerverfahrensrecht
- Das Problem: Ein Kläger erbte einen Miteigentumsanteil an einer Wohnung seiner verstorbenen Mutter. Die Mutter war schwer krank und konnte ihren geplanten Umzug in diese Wohnung nicht mehr durchführen. Der Sohn forderte die Steuerbefreiung für die Wohnung als „Familienheim“ in der Erbschaftsteuer.
- Die Rechtsfrage: Gilt eine Wohnung als steuerfreies Familienheim, wenn der Erblasser sie wegen einer schweren Krankheit nie selbst nutzen konnte?
- Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Die Steuerbefreiung schützt nur Wohnungen, die bereits vor dem Tod der Mittelpunkt des familiären Lebens waren. Die krankheitsbedingte Hinderung ersetzt nicht die fehlende frühere Nutzung der Wohnung.
- Die Bedeutung: Die Steuerbefreiung für das Familienheim setzt voraus, dass der Verstorbene das Objekt tatsächlich als Hauptwohnung genutzt hat. Eine bloß beabsichtigte Nutzung oder der Umstand, dass die Nutzung krankheitsbedingt unmöglich war, reicht in der Regel nicht aus.
Der Fall vor Gericht
Wann ist eine geerbte Wohnung steuerfrei, auch wenn der Erblasser nie darin gewohnt hat?
Im Erbschaftsteuergesetz existiert eine der wertvollsten Steuerbefreiungen für Immobilienerben: das sogenannte Familienheim-Privileg. Wer das Haus oder die Wohnung der Eltern erbt, in der diese bis zum Tod gelebt haben, zahlt unter bestimmten Bedingungen keine Erbschaftsteuer. Ein Gesetzestext enthält eine feine Ergänzung – die Steuerbefreiung gilt auch, wenn der Verstorbene aus „zwingenden Gründen“ an der Eigennutzung der Wohnung gehindert war. Ein Sohn sah hier seine Chance. Seine Mutter hatte einen Wohnungsanteil geerbt, aber die Wohnung wegen einer schweren Krankheit nie selbst bezogen. Er forderte die Steuerbefreiung. Das Finanzamt lehnte ab. Der Fall landete vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg und drehte sich um eine einzige Frage: Kann ein bloßer Plan, in eine Wohnung zu ziehen, das tatsächliche Wohnen ersetzen, wenn das Schicksal dazwischenkommt?
Worum ging es bei dem Streit um das Familienheim-Privileg genau?
Der Sohn war Alleinerbe seiner Mutter. Zum Nachlass gehörten zwei Immobilien, die nur 130 Meter voneinander entfernt lagen: eine Wohnung, in der die Mutter tatsächlich bis zu ihrem Tod lebte, und ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer zweiten Wohnung. Genau für diesen Anteil forderte der Sohn die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG). Das hätte seine Steuerlast um eine sechsstellige Summe reduziert. Der Haken: Die Mutter hatte in dieser zweiten Wohnung nie gewohnt. Ihr Lebensmittelpunkt war und blieb bis zuletzt die erste Wohnung. Die zweite Wohnung sollte ihr neues Zuhause werden, doch eine schwere Erkrankung mit einem Behinderungsgrad von 100 machte den Umzug unmöglich….