Die Beweislast der Behörde für Straßenland-Widmung stützte sich in Berlin auf einen Straßenbestandsplan von 1979, um eine Zaun-Zurückversetzung um 1,00 Meter zu erzwingen. Doch die Verwaltungsrichter akzeptierten die handgemalte Grenze nicht als ausreichenden Beweis für die Widmung öffentlichen Straßenlandes. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 K 117/20 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verwaltungsgericht Berlin
- Datum: 21.11.2024
- Aktenzeichen: 1 K 117/20
- Verfahren: Klage gegen eine behördliche Rückbauanordnung
- Rechtsbereiche: Straßenrecht, Eigentumsrecht, Historische Widmung (DDR-Recht)
- Das Problem: Eine Berliner Behörde forderte eine Grundstückseigentümerin auf, ihren neuen Zaun um exakt 1,00 Meter zurückzusetzen. Die Behörde behauptete, dieser Streifen des Privatgrundstücks sei öffentliches Straßenland.
- Die Rechtsfrage: Gehört der beanspruchte 1-Meter-Streifen des Privatgrundstücks tatsächlich zur öffentlichen Straße?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht hob die Anordnung der Behörde auf. Die Behörde konnte nicht beweisen, dass der Streifen rechtlich öffentlich gewidmet war.
- Die Bedeutung: Eine Behörde kann Eigentümer nicht aufgrund von alten, unpräzisen oder widersprüchlichen historischen Plänen zum Rückbau zwingen. Für eine belastende Anordnung muss das Vorliegen von öffentlichem Straßenland klar und messbar nachgewiesen werden.
Der Fall vor Gericht
Kann ein handgemalter Strich auf einer DDR-Karte eine Zaun-Zurückversetzung erzwingen?
Manchmal entscheidet ein Detail über Sieg oder Niederlage. In diesem Fall war es ein handgemalter roter Strich auf einem Straßenplan aus dem Jahr 1979. Für das Berliner Bezirksamt Treptow-Köpenick war dieser Strich der unumstößliche Beweis: Ein Meter des Gartens einer Anwohnerin ist in Wahrheit öffentliches Straßenland. Für die Eigentümerin war es Willkür. Das Verwaltungsgericht Berlin musste klären, wie viel juristische Kraft in einem 45 Jahre alten Pinselstrich steckt – und wer am Ende Recht behält.
Womit begann der Streit um den einen Meter Grundstück?
Eine Grundstückseigentümerin in Berlin wollte 2013 nur eines: einen geraden Zaun, passend zu denen ihrer Nachbarn. Sie ließ ihr Grundstück vermessen, riss die alte Einfriedung ab und errichtete eine neue, die eine saubere Fluchtlinie bildete. Kurz darauf meldete sich das Bezirksamt. Ein Teil ihres Grundstücks, so die Behörde, sei öffentliches Straßenland. Sechs Jahre später wurde es ernst. Mit einem offiziellen Bescheid forderte das Amt die Frau auf, ihren neuen Zaun „um ca. 1 Meter“ zurückzuversetzen. Der Grund: Die Zaunanlage rage in den öffentlichen Straßenraum hinein. Als Beweis diente ein Straßenbestandsplan von 1979, der eine Erweiterung der ursprünglich vier Meter breiten Straße dokumentieren sollte.
Welche Argumente führte das Bezirksamt für seine Forderung ins Feld?
Die Behörde stützte ihre Anordnung auf eine Kette historischer Dokumente. Das Herzstück war der Straßenbestandsplan von 1979. Dort fand sich eine rote Linie, die nach Ansicht des Amtes die Grenze des öffentlichen Straßenlandes markierte. Man berief sich auf eine Anweisung des DDR-Verkehrsministeriums von 1976, wonach solche Grenzen mit roter Farbe zu kennzeichnen seien. Straßen, die in der DDR öffentlich waren, seien es auch heute noch. Die Behörde argumentierte weiter, das Verwaltungshandeln der DDR habe eben andere Standards gehabt. Die Maßnahme sei zudem notwendig….