Der Vorstand eines e.V. versuchte, die Pflicht zum Gläubigeraufruf beim Verein (e.V.) zu umgehen, indem er das Restvermögen von 1.254 Euro sofort zur Schuldentilgung nutzte. Trotzdem stoppte das Registergericht die Austragung des Vereins: Der Schutz aller Gläubiger hatte unerwarteten Vorrang. Zum vorliegenden Urteil Az.: 19 W 47/25 (Wx) | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 04.09.2025
- Aktenzeichen: 19 W 47/25 (Wx)
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Vereinsrecht, Registerrecht, Liquidation
- Das Problem: Der Liquidator eines Vereins wollte diesen aus dem Register löschen lassen. Er hatte jedoch keine öffentliche Aufforderung an alle Gläubiger veröffentlicht. Das Registergericht lehnte die Eintragung der Löschung ab.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Verein alle Gläubiger öffentlich aufrufen, wenn er zum Zeitpunkt der Auflösung noch Geld besaß? Gilt dies auch, wenn das Geld später durch die Zahlung bekannter Schulden aufgebraucht wurde?
- Die Antwort: Nein. War bei der Auflösung des Vereins Vermögen vorhanden, ist der Gläubigeraufruf zwingend notwendig. Der Liquidator darf diese Pflicht nicht durch die nachträgliche Bezahlung einzelner Forderungen umgehen.
- Die Bedeutung: Vereinsliquidatoren müssen die gesetzliche Reihenfolge der Abwicklung genau befolgen. Sie können die Pflicht zum öffentlichen Gläubigeraufruf nicht durch eigene Versicherungen ersetzen.
Der Fall vor Gericht
Warum wurde die schnelle Löschung des Vereins verweigert?
„Wir haben kein Geld mehr.“ Mit dieser schlichten Feststellung wollte der Liquidator eines Vereins die Auflösung beschleunigen. Er meldete dem Registergericht, das Konto sei leer, alle bekannten Schulden beglichen. Eine schnelle Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister schien nur noch Formsache zu sein. Doch das Gericht schaute genauer hin und entdeckte ein Detail, das alles veränderte: Zum Zeitpunkt des offiziellen Auflösungsbeschlusses im September 2024 war sehr wohl noch Geld da. Exakt 1.254,56 Euro lagen auf dem Vereinskonto. Dieses Geld wurde erst Monate später genutzt, um gezielt die Rechnungen des Anwalts und des Steuerberaters zu bezahlen. Plötzlich stand nicht mehr die Frage der Vermögenslosigkeit im Raum, sondern die Frage nach der richtigen Reihenfolge – und dem Schutz unsichtbarer Gläubiger. Das Amtsgericht Mannheim lehnte die sofortige Löschung ab. Der Liquidator legte Beschwerde ein. Der Fall ging an das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Weshalb bestand das Gericht auf einem komplizierten Verfahren?
Der Knackpunkt ist eine Vorschrift zum Schutz von Gläubigern. Löst sich ein Verein auf, der noch Vermögen besitzt, schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch ein klares Verfahren vor. Der Liquidator muss die Auflösung öffentlich bekannt machen und alle Gläubiger auffordern, ihre Ansprüche anzumelden. Das ist der sogenannte Gläubigeraufruf nach § 50 BGB. Erst nach Ablauf eines „Sperrjahres“ und der Begleichung aller gemeldeten Schulden darf der Verein endgültig gelöscht werden. Diese Regel hat einen einfachen Zweck: Sie soll sicherstellen, dass nicht nur die bekannten Gläubiger ihr Geld bekommen, sondern auch jene, von denen der Liquidator vielleicht gar nichts weiß. Ein Handwerker mit einer alten, vergessenen Rechnung. Ein ehemaliges Mitglied mit einem Anspruch auf Rückzahlung. Der Gläubigeraufruf gibt allen die gleiche Chance. Das Amtsgericht argumentierte: Zum Zeitpunkt der Auflösung war Vermögen da….