Ein Betroffener forderte nach einem Arbeitsunfall eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Schulterschaden, um die nötige 20-Prozent-Schwelle für die Verletztenrente zu erreichen. Obwohl er seine Schulter aktiv kaum bewegen konnte, stützte das Landessozialgericht seine gesamte Berechnung auf einen gänzlich anderen Beweglichkeitswert. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 U 128/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Baden-Württemberg
- Datum: 28.08.2025
- Aktenzeichen: L 6 U 128/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Arbeitsunfall, Verletztenrente
- Das Problem: Ein Kläger erlitt einen Arbeitsunfall mit Schulterverletzung und bezog eine Rente wegen 20 % Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die zuständige Unfallversicherung wollte diese Rente über Mai 2020 hinaus einstellen. Das erstinstanzliche Sozialgericht hatte die Weiterzahlung der Rente von 20 % bestätigt.
- Die Rechtsfrage: Muss die Unfallversicherung die Rente wegen der Schulterfunktionsstörung weiterzahlen, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 20 % betragen muss?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Die verbleibende Funktionseinschränkung der Schulter rechtfertigte ab Mai 2020 nur noch eine Minderung von 10 %.
- Die Bedeutung: Das Urteil legt fest, dass bei Schulterverletzungen grundsätzlich die Passive Beweglichkeit für die Rentenberechnung maßgeblich ist. Dies gilt, wenn keine Strukturelle Insuffizienz der Rotatorenmanschette mehr nachweisbar ist.
Der Fall vor Gericht
Worum stritten die Gutachter – und warum war das für die Verletztenrente entscheidend?
Ein Arzt untersuchte den verletzten Mann und schrieb in sein Gutachten: Armhebung aus eigener Kraft bis 90 Grad möglich. Seine Schlussfolgerung: Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 Prozent, die Rente läuft weiter. Ein anderer Arzt, Monate später, untersuchte denselben Mann und notierte: Der Arm lässt sich durch den Untersucher passiv bis 120 Grad bewegen. Seine Schlussfolgerung: Nur noch 10 Prozent MdE, die Rente stoppt. Für die Gerichte war dies nicht nur ein medizinischer Widerspruch. Es war der Kern eines juristischen Puzzles, das sie zwang, eine grundlegende Frage zu klären: Wenn Experten sich uneins sind, welche anatomische Tatsache bestimmt über die finanzielle Zukunft eines Menschen nach einem Arbeitsunfall? Der Fall begann an einem Wintertag im Januar 2017. Ein Mann stürzte auf Glatteis und verletzte sich die linke Schulter schwer. Die Diagnose war eindeutig: ein Riss der sogenannten Rotatorenmanschette, einer entscheidenden Sehnengruppe für die Armbewegung. Die gesetzliche Unfallversicherung erkannte den Vorfall als Arbeitsunfall an. Sie übernahm die Kosten für Operationen und Reha. Sie zahlte dem Mann auch eine Verletztenrente. Diese Leistung nach § 56 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) steht Versicherten zu, deren Erwerbsfähigkeit durch einen Unfall um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Über drei Jahre lang galt diese Schwelle als erreicht. Dann, im Mai 2020, erklärte die Versicherung die Rentenzahlung für beendet. Ihre Begründung: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auf unter 20 Prozent gesunken. Der Mann klagte.
Weshalb sah das erste Gericht den Rentenanspruch als gegeben an?
Das Sozialgericht Karlsruhe gab dem Kläger zunächst recht. Es stützte seine Entscheidung auf das Gutachten eines Sachverständigen namens Z1….