Ein Kläger forderte bei der Streitwertfestsetzung bei DSGVO-Verstößen 22.500 Euro und rechnete mit enormen Prozesskosten. Das OLG München erklärte, Gerichte seien nicht an subjektive Angaben gebunden, und senkte den Betrag auf 7.500 Euro. Zum vorliegenden Urteil Az.: 31 W 1130/25 e | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 25.09.2025
- Aktenzeichen: 31 W 1130/25 e
- Verfahren: Streitwertbeschwerde
- Rechtsbereiche: Datenschutzrecht (DSGVO), Zivilprozessrecht, Streitwert
- Das Problem: Ein Kläger forderte wegen eines Datenklau-Vorfalls (Scraping) Schadensersatz und Unterlassung. Das Landgericht legte den Streitwert, die Basis für die Gerichtsgebühren, auf 22.500 Euro fest. Der Kläger sah diesen Wert als viel zu hoch an und legte Beschwerde ein.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Gericht bei der Festsetzung des Streitwerts die ursprünglichen, subjektiven Schätzungen des Klägers übernehmen? Oder muss das Gericht den tatsächlichen Wert selbstständig prüfen und festlegen?
- Die Antwort: Nein. Gerichte sind bei der Festsetzung des Streitwerts nicht an die subjektiven Angaben der klagenden Partei gebunden. Das Gericht muss den tatsächlichen Wert selbstständig und nach objektiven Kriterien prüfen. Der Gesamtstreitwert wurde auf 7.500 Euro herabgesetzt.
- Die Bedeutung: Kläger können die Höhe der Gerichtsgebühren und Anwaltskosten nicht willkürlich durch überhöhte Schätzungen festlegen. Gerichte müssen in Massenverfahren (wie DSGVO-Klagen) die einzelnen Ansprüche (z.B. auf Auskunft und Unterlassung) realistisch bewerten.
Der Fall vor Gericht
Warum kämpfte ein Kläger darum, den Wert seiner eigenen Klage zu senken?
Ein Kläger gewinnt vor Gericht 100 Euro, verliert aber fast alles. Sein nächster Schritt scheint absurd: Er kämpft nicht für mehr Geld, sondern darum, den Wert seiner eigenen Klage drastisch zu senken. Ein bizarrer Rechtsstreit beginnt, bei dem es nicht um Sieg oder Niederlage geht, sondern um die teure Frage: Was ist eine Klage wirklich wert? Der Grund für dieses Manöver ist die Kostenfalle des deutschen Zivilprozesses. Die Gerichts- und Anwaltsgebühren berechnen sich nach dem sogenannten Streitwert – dem Geldbetrag, um den gestritten wird. Ein hoher Streitwert bedeutet hohe Kosten. Der Kläger hatte in seiner Klageschrift wegen eines Datenschutzverstoßes den Streitwert selbst auf 22.500 Euro beziffert. Nach dem Urteil, das ihm nur 100 Euro zusprach, wurde diese hohe Summe zum Bumerang. Er musste den Großteil der Kosten tragen, die auf Basis der 22.500 Euro berechnet wurden. Sein Ziel war es, diesen Wert nachträglich auf 7.500 Euro zu reduzieren und seine Kostenlast zu verringern.
Muss ein Gericht den vom Kläger genannten Streitwert übernehmen?
Das Landgericht München II hatte genau das getan. Es übernahm die 22.500 Euro aus der Klageschrift ohne eigene Prüfung. Das Oberlandesgericht München kassierte diese Entscheidung. Es stellte unmissverständlich klar: Ein Gericht ist niemals an die subjektiven Wertvorstellungen einer Partei gebunden. Die Angabe eines Klägers ist nur ein Indiz. Das Gericht hat eine eigene Pflicht, den Wert des Streits nach objektiven Kriterien zu ermitteln. Diese Pflicht zur eigenständigen Prüfung wurzelt im Gesetz (§ 3 ZPO) und sichert ab, dass weder Kläger noch Beklagte die Kosten durch unrealistische Wertangaben manipulieren können. Das Landgericht hatte seine Richterliche Schätzungspflicht verletzt….