Normalerweise ist ein Strafbefehl nach der Hauptverhandlung ausgeschlossen, doch der Angeklagte ignorierte seine Ladung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Trotz des formalen Verbots entschied das Gericht, dass die bloße Terminansetzung die Grundlage für eine Verurteilung ohne Prozess bildete. Zum vorliegenden Urteil Az.: 530 Cs 108/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Hamm
- Datum: 28.05.2025
- Aktenzeichen: 530 Cs 108/25 (935 Js 139/25)
- Verfahren: Entscheidung im Strafbefehlswege
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Straßenverkehrsrecht
- Das Problem: Ein Angeklagter war wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt. Nachdem das Gericht eine Hauptverhandlung anberaumt hatte, erschien der Angeklagte unentschuldigt nicht zum Termin. Die Staatsanwaltschaft verlangte daraufhin die Festsetzung einer Strafe per Strafbefehl.
- Die Rechtsfrage: Darf die Justiz nach Ansetzung einer Hauptverhandlung zu einem Strafbefehl zurückkehren, wenn der Angeklagte fernbleibt?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht entschied, dass die Ansetzung der Hauptverhandlung rechtlich der Eröffnung eines Hauptverfahrens gleichkommt. Dies erlaubt die schnelle Erledigung des Verfahrens durch einen Strafbefehl, wenn der Angeklagte fehlt.
- Die Bedeutung: Bleibt ein Beschuldigter einem Gerichtstermin unentschuldigt fern, kann das Gericht das Verfahren sofort durch einen Strafbefehl beenden. Dies beschleunigt die Justiz. Der Angeklagte muss Einspruch einlegen, wenn er doch eine Verhandlung wünscht.
Der Fall vor Gericht
Warum stand der Mann überhaupt vor Gericht – und blieb dann einfach weg?
Ein Mann wurde beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischt. Ein klares Vergehen nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Die Staatsanwaltschaft wollte die Sache schnell erledigen und beantragte einen Strafbefehl – ein schriftliches Urteil ohne mündliche Verhandlung. Der zuständige Richter am Amtsgericht Hamm hatte Bedenken. Er wollte den Fall nicht einfach vom Schreibtisch aus entscheiden. Er beraumte eine Hauptverhandlung an, um sich ein persönliches Bild zu machen. Das ist sein gutes Recht, vorgesehen in § 408 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO). Dann kam der Tag des Prozesses. Der Gerichtssaal war bereit, die Staatsanwältin war anwesend. Nur der Stuhl des Angeklagten blieb leer. Er erschien nicht, unentschuldigt. Die geplante Verhandlung konnte nicht stattfinden. Das Verfahren steckte in einer Sackgasse.
Was war der juristische Kniff der Staatsanwaltschaft?
Die Staatsanwältin bat nicht um einen neuen Termin. Sie zog einen prozessualen Joker. Sie beantragte, dem abwesenden Mann genau jetzt und hier doch noch einen Strafbefehl auszustellen. Ihr Werkzeug war der Paragraph § 408a StPO. Diese Vorschrift ist eine Art Notausgang für die Justiz. Sie erlaubt einem Gericht, von einer mündlichen Verhandlung wieder auf ein schriftliches Verfahren umzuschwenken, wenn die Hauptverhandlung bereits eröffnet wurde. Der Schachzug warf eine knifflige Rechtsfrage auf. War die Hauptverhandlung im juristischen Sinne überhaupt schon „eröffnet“? Formal gab es keinen solchen Eröffnungsbeschluss. Der Richter hatte ja lediglich einen Termin angesetzt, weil er Bedenken gegen den ursprünglichen Strafbefehl hatte. Konnte er jetzt das Rad zurückdrehen und genau das tun, was er anfangs vermeiden wollte? Die Verteidiger dieser Idee argumentierten für die Effizienz. Die Gegner sahen einen unzulässigen Trick, der den klaren Wortlaut des Gesetzes beugte….