Wegen der gezielten Versendung rufschädigender Rassismus-Vorwürfe an externe Verbände erhielt ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung die außerordentliche Kündigung. Das Gericht musste entscheiden, ob eine so schwere Pflichtverletzung die sonst notwendige vorherige Abmahnung tatsächlich entbehrlich macht. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 SLa 537/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
- Datum: 14.01.2025
- Aktenzeichen: 3 SLa 537/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Kündigungsrecht, Loyalitätspflichten, Hinweisgeberschutz
- Das Problem: Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung (Kläger) wurde fristlos entlassen, weil er eine E-Mail an externe Organisationen verschickte, in der er schwere Vorwürfe wegen Rassismus in der Verwaltung erhob. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung, da er sich als Whistleblower sah.
- Die Rechtsfrage: War die fristlose Entlassung des Mitarbeiters gerechtfertigt, weil er interne Informationen mit teils verfälschten Behauptungen an die Öffentlichkeit trug, um externen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben?
- Die Antwort: Ja. Die fristlose Kündigung ist wirksam, weil der Mitarbeiter vorsätzlich und schwerwiegend seine Loyalitätspflichten verletzte und interne Meldeverfahren umging. Das Gericht sah in der bewussten Verbreitung teils falscher Angaben an externe Partner eine unzumutbare Vertrauensgefährdung.
- Die Bedeutung: Mitarbeiter, die Missstände extern veröffentlichen, müssen zwingend zuerst die betrieblichen oder gesetzlichen internen Meldewege nutzen. Wer vorsätzlich falsche oder verfälschende Behauptungen an die Öffentlichkeit trägt und interne Wege umgeht, riskiert eine sofortige Entlassung ohne vorherige Abmahnung.
Der Fall vor Gericht
Worum ging es in dem Fall vor dem Landesarbeitsgericht?
Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde einer Stadt fühlte sich ignoriert. Er hatte intern auf mutmaßlich rassistische Äußerungen seines Teamleiters hingewiesen, doch aus seiner Sicht passierte zu wenig. Gemeinsam mit zwei Kollegen griff er zu einem drastischen Mittel: einer E-Mail mit dem Betreff „Rassismus in der Stadtverwaltung“. Adressiert war sie nicht an Vorgesetzte, sondern an eine lange Liste externer Verbände und Vereine, die Abschiebungen kritisch begleiten. Es war ein Versuch, öffentlichen Druck zu erzeugen – ein Schachzug, der ihn seinen Job kosten sollte. Die Vorgeschichte war komplex. Der Mitarbeiter und seine Kollegen waren nach internen Beschwerden anderer Mitarbeiter bereits freigestellt und in eine andere Abteilung versetzt worden. Sie empfanden dieses Vorgehen als ungerecht. In ihrer E-Mail an die Öffentlichkeit stellten sie einen direkten Zusammenhang her: Sie seien wegen ihrer Kritik am Teamleiter „beseitigt“ worden. Diesen entscheidenden Punkt – die Beschwerden anderer Kollegen gegen sie – ließen sie aus. Die Stadtverwaltung sah darin einen gezielten Angriff auf ihre Reputation und kündigte dem Mitarbeiter fristlos. Der Fall landete vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Die Richter mussten klären: Wann wird aus legitimem Whistleblowing ein kündigungswürdiger Verrat?
Warum war die E-Mail ein so schwerer Verstoß gegen die Loyalitätspflicht?
Das Gericht sah in der E-Mail eine massive Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese Pflicht verlangt von einem Arbeitnehmer, die Interessen seines Arbeitgebers zu wahren und ihm keinen Schaden zuzufügen….