Ein Autofahrer wurde mit 1,44 Promille gestoppt, was normalerweise keine zwingende MPU-Anordnung bei Alkoholgewöhnung unter 1,6 Promille auslöst. Doch das Gericht sah in den fehlenden alkoholtypischen Ausfallerscheinungen eine Zusatztatsache, deren Verweigerung nun weitreichende Folgen hat. Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 ZB 24.2016 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
- Datum: 10.03.2025
- Aktenzeichen: 11 ZB 24.2016
- Verfahren: Zulassungsverfahren zur Berufung
- Rechtsbereiche: Fahrerlaubnisrecht, Verwaltungsrecht, Straßenverkehrsrecht
- Das Problem: Ein Autofahrer verlor seinen Führerschein wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,44 Promille. Die Behörde verlangte die Vorlage einer MPU zur Neuerteilung. Der Fahrer weigerte sich, die MPU beizubringen.
- Die Rechtsfrage: Darf die Führerscheinbehörde eine MPU anordnen, wenn der Fahrer trotz hoher Alkoholisierung kaum Ausfallerscheinungen zeigte? Führt die Weigerung, diese rechtmäßige MPU vorzulegen, automatisch zur Ablehnung des Führerscheins?
- Die Antwort: Nein, der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Die Kombination aus hoher Promillezahl und geringen Ausfallerscheinungen gilt als Nachweis für Alkoholgewöhnung. Daher war die MPU-Anordnung rechtmäßig.
- Die Bedeutung: Wer eine rechtmäßig angeordnete MPU verweigert, gilt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Eine hohe Alkoholtoleranz wird als Zusatztatsache gewertet und rechtfertigt die Anordnung einer MPU auch unterhalb der Schwelle von 1,6 Promille.
Der Fall vor Gericht
Warum wurde scheinbare Nüchternheit für den Fahrer zum Verhängnis?
Auf einer geraden Linie gehen, die Nase mit dem Finger berühren – was klingt wie ein simpler Test am Straßenrand, wurde für einen Autofahrer zur entscheidenden Weichenstellung. Er absolvierte diese Tests erstaunlich gut, trotz 1,44 Promille im Blut. Genau diese Souveränität wertete die Fahrerlaubnisbehörde nicht als Pluspunkt, sondern als Alarmsignal. Es war der Auftakt zu einem Rechtsstreit, der zeigt, warum die Weigerung, sich einem Gutachten zu stellen, schwerer wiegen kann als die Trunkenheitsfahrt selbst. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH München) zementierte mit seinem Beschluss (Az. 11 ZB 24.2016) eine unerbittliche Logik im Fahrerlaubnisrecht.
Wieso sah die Behörde in der fehlenden Trunkenheit ein Alarmsignal?
Eine Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille führt nicht automatisch zur Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, der gefürchteten MPU. Die Behörde braucht dafür einen besonderen Grund, eine sogenannte Zusatztatsache. Diese soll belegen, dass ein künftiger Alkoholmissbrauch wahrscheinlich ist. Genau eine solche Zusatztatsache sah die Behörde hier in der Diskrepanz zwischen dem hohen Blutalkoholwert von 1,44 Promille und den Beobachtungen des Arztes bei der Blutentnahme. Der ärztliche Bericht zeichnete das Bild eines Mannes, der seine Alkoholisierung erstaunlich gut kompensieren konnte. Sein Gang war sicher, sein Bewusstsein klar, sein Verhalten beherrscht. Nur leichte Auffälligkeiten wie unsichere Kehrtwendungen oder erweiterte Pupillen wurden vermerkt. Im Klartext bedeutet das: Wer so viel Alkohol im Blut hat und trotzdem kaum Ausfallerscheinungen zeigt, dessen Körper muss an solche Pegel gewöhnt sein. Diese Alkoholgewöhnung ist aus Sicht des Rechts ein Warnsignal. Sie deutet darauf hin, dass die inneren Warnmechanismen versagen….