Globale Versicherer stritten um den Ausschluss des Versicherungsschutzes für eine Anwaltskanzlei nach deren 50-Millionen-Euro-Fehlberatung bei Cum/Ex-Geschäften. Die zentrale Frage, ob eine „wissentliche Pflichtverletzung“ vorlag, hing nur von einer einzigen, internen Gesprächsnotiz ab. Zum vorliegenden Urteil Az.: 23 O 15360/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht München I
- Datum: 04.04.2025
- Aktenzeichen: 23 O 15360/21
- Verfahren: Zivilrechtlicher Deckungsstreit
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Berufshaftpflicht
- Das Problem: Globale Versicherer zahlten einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe wegen fehlerhafter Cum/Ex-Beratung durch eine Anwaltskanzlei. Sie verlangten das gezahlte Geld von der lokalen Berufshaftpflichtversicherung der Kanzlei zurück.
- Die Rechtsfrage: Muss die lokale Versicherung trotz gezahlter Vergleichssumme zahlen oder verliert die Anwaltskanzlei ihren Schutz, weil sie ihre Pflichten bewusst verletzt hat?
- Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht sah es als bewiesen an, dass die Anwaltskanzlei elementare Hinweispflichten auf strafrechtliche Risiken wissentlich verletzt hatte. Die Wissentliche Pflichtverletzung hob den lokalen Versicherungsschutz auf.
- Die Bedeutung: Der Versicherungsschutz in der Berufshaftpflicht entfällt, wenn eine Pflichtverletzung nachweislich bewusst oder wissentlich begangen wurde. Für den Ausschluss genügt die Feststellung, dass die Kanzlei von der strategischen Zielrichtung der Geschäfte Kenntnis hatte.
Der Fall vor Gericht
Womit rechtfertigte ein Anwalt einen Plan, der ihm selbst ein „ungutes Gefühl“ machte?
„Bei Börsengeschäften wird ein Betriebsprüfer natürlich nie rauskriegen, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde.“ Dieser Satz aus einer internen E-Mail eines Anwalts wurde Jahre später zum Angelpunkt in einem millionenschweren Versicherungsprozess. Seine Kanzlei hatte durch ihre Beratung zu Cum/Ex-Geschäften einen Schaden von 50 Millionen Euro mitverursacht. Als die lokale Haftpflichtversicherung die Deckung verweigerte, klagte ein Konsortium globaler Mitversicherer. Ihre Position: Es war ein Fehler, keine Absicht. Der E-Mail-Satz malte ein anderes Bild – das Bild eines Beraters, der nicht auf die Legalität seines Modells vertraute, sondern auf dessen Unentdeckbarkeit.
Warum landete der Streit zwischen Versicherungen vor Gericht?
Eine international tätige Anwaltskanzlei beriet über Jahre hinweg ein Unternehmen bei Cum/Ex-Geschäften. Das Ziel war, einmal gezahlte Kapitalertragsteuern mehrfach vom Staat zurückzufordern. Das Modell funktionierte. Es spülte über 374 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens. Als die Finanzbehörden die Geschäfte aufdeckten, folgten gewaltige Steuerrückforderungen. Das Unternehmen und seine Gesellschafterin stürzten in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter verklagte die Kanzlei wegen katastrophaler Falschberatung. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Die Kanzlei zahlte 50 Millionen Euro Schadensersatz. Ein solcher Fall ist normalerweise ein klarer Fall für die Berufshaftpflichtversicherung. Hier war die Lage komplizierter. Die Kanzlei hatte ein gestuftes Versicherungssystem. Eine lokale Police für den ersten Schaden, darüber ein Netz aus globalen Versicherern für Summen, die das lokale Limit übersteigen. Die lokalen und globalen Versicherer hatten dem Vergleich zugestimmt. Dann kam die Wendung. Die lokale Versicherung weigerte sich zu zahlen….