Ein Berufskraftfahrer erlebte die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit, obwohl er nie alkoholisiert am Steuer erwischt wurde. Trotz der drohenden Vernichtung seiner beruflichen Existenz musste das Gericht entscheiden, ob das präventive Sicherheitsinteresse sofort überwiegt. Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 CS 25.1296 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
- Datum: 22.09.2025
- Aktenzeichen: 11 CS 25.1296
- Verfahren: Vorläufiger Rechtsschutz (Beschwerde gegen Entziehung der Fahrerlaubnis)
- Rechtsbereiche: Fahrerlaubnisrecht, Verwaltungsrecht, Straßenverkehrsrecht
- Das Problem: Einem Berufskraftfahrer wurde wegen festgestellter Alkoholabhängigkeit sofort der Führerschein entzogen. Er legte Beschwerde ein, da er argumentierte, die Maßnahme gefährde seine Existenz und die Gefahr sei nicht aktuell.
- Die Rechtsfrage: Darf der Führerschein bei einem diagnostizierten Rückfall in die Alkoholabhängigkeit sofort entzogen werden, auch wenn dadurch die berufliche Existenz gefährdet ist?
- Die Antwort: Nein. Der Gerichtshof bestätigte die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis. Das von alkoholabhängigen Personen ausgehende Risiko für die Verkehrssicherheit überwiegt die beruflichen Interessen des Betroffenen.
- Die Bedeutung: Bei einer ärztlich bestätigten Alkoholabhängigkeit, die durch einen Rückfall belegt wird, hat die Sicherheit des Straßenverkehrs Vorrang. Die Entziehung des Führerscheins erfolgt auch ohne konkrete Auffälligkeiten im Verkehr.
Der Fall vor Gericht
Zählt eine Diagnose mehr als eine tadellose Fahrbilanz?
Es gab keinen Unfall. Keine Polizeikontrolle mit Blaulicht. Kein einziges Mal wurde ein Berufskraftfahrer mit Alkohol am Steuer erwischt. Trotzdem verlor er über Nacht seinen Führerschein und damit seinen Job. Der Grund war eine Diagnose in seiner Krankenakte: Alkoholabhängigkeit. Nach einem Rückfall stuften die Behörden ihn als unkalkulierbares Risiko für die Allgemeinheit ein. Der Fall landete vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und zwang die Richter zu einer fundamentalen Abwägung: Zählt die abstrakte Gefahr einer Krankheit mehr als eine saubere Fahrbilanz und die Existenz eines Menschen?
Warum greift der Staat ein, obwohl nie etwas passiert ist?
Die Logik der Behörde und der Gerichte folgt einem Prinzip des präventiven Gefahrenschutzes. Das Gesetz wartet nicht, bis ein Unglück geschieht. Dreh- und Angelpunkt ist die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Dort ist klar geregelt, wer als fahrgeeignet gilt und wer nicht. Eine diagnostizierte Alkoholabhängigkeit führt nach dem Gesetz grundsätzlich zum Verlust der Fahreignung (Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV). Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist dann eine zwingende Folge (§ 46 Abs. 1 FeV). Der Berufskraftfahrer hatte mehrfach die klinische Diagnose „Alkoholabhängigkeit“ erhalten. Auch wenn er sich in Therapie befand und lange abstinent lebte – ein dokumentierter Rückfall im Dezember 2024 änderte alles. Für die Behörde war das der Beweis: Die Krankheit war nicht überwunden. Das Risiko eines Kontrollverlusts am Steuer bestand fort. Die Tatsache, dass der Mann nie alkoholisiert gefahren war, spielte für diese Einschätzung keine Rolle. Die Gefahr liegt in der Krankheit selbst, nicht erst in ihrer konkreten Auswirkung im Straßenverkehr.
War der Rückfall nicht nur ein menschlicher Ausrutscher?
Genau das argumentierte der Fahrer….