Nach 17 Jahren Ungewissheit forderte die Mutter eines vermissten Kindes Schmerzensgeld, gestützt auf den Beweiswert eines widerrufenen Geständnisses im Zivilprozess. Obwohl der Mann die Verheimlichung des Leichnams eingeräumt hatte, entlastete ihn die erfolgreiche Darlegung von Vernehmungsdruck vor Gericht. Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 80/24 e | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
- Datum: 14.08.2025
- Aktenzeichen: 12 U 80/24 e
- Verfahren: Berufung im Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Deliktsrecht, Schmerzensgeld, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Die Mutter eines 2001 verschwundenen Kindes klagt den Beklagten auf Schmerzensgeld. Sie behauptet, er habe die Leiche ihrer Tochter verbracht und jahrelang verschwiegen. Dadurch erlitt sie schwere psychische Schäden. Der Beklagte bestreitet die Tat und widerrief sein früheres Geständnis.
- Die Rechtsfrage: Hat die Klägerin Anspruch auf Schmerzensgeld? Reicht das widerrufene Geständnis des Beklagten aus, um seine Haftung im Zivilprozess zu beweisen?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht weist die Berufung der Klägerin ab. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Beklagte die Leiche tatsächlich verbracht hat. Das widerrufene Geständnis gilt nicht als ausreichender Beweis.
- Die Bedeutung: Ein im Strafverfahren abgelegtes, aber widerrufenes Geständnis ist im Zivilprozess nur ein Indiz. Der Kläger muss die inhaltliche Wahrheit dieses Geständnisses umfassend beweisen. Zweifel an der Echtheit, etwa wegen hohem Vernehmungsdruck, gehen zulasten des Klägers.
Der Fall vor Gericht
Wie viel wiegt ein Geständnis, das einen Tag später widerrufen wird?
Ein Geständnis, abgelegt in einem zehnstündigen Polizeiverhör, schien nach 17 Jahren endlich Klarheit in das Verschwinden eines neunjährigen Mädchens zu bringen. Ein Mann gab zu, den leblosen Körper des Kindes im Jahr 2001 in einen Wald gebracht zu haben. Doch nur einen Tag später widerrief er alles. Für die Mutter des Mädchens war dieses Geständnis – auch widerrufen – der Schlüssel zu einer Klage. Sie forderte Schmerzensgeld für 15 Jahre quälender Ungewissheit. Vor dem Oberlandesgericht Bamberg stand eine einzige, zerreißende Frage im Raum: Wie viel Beweiswert hat ein Wort, das zurückgenommen wurde?
Warum war das Geständnis der einzige Strohhalm der Mutter?
Fünfzehn Jahre lang wusste die Mutter nicht, was mit ihrer Tochter geschehen war. Erst 2016 fand ein Pilzsammler die sterblichen Überreste des Kindes. Die Ermittlungen liefen erneut an und führten zu jenem Mann, der 2018 die Verbringung der Leiche gestand. Die Mutter sah darin den Beweis für unvorstellbares Leid, das ihr der Mann angetan hatte. Ihre Argumentation war direkt: Er wusste, wo ihre Tochter lag. Er hat geschwiegen. Dieses Schweigen und das Verstecken des Leichnams hätten ihre Psyche und ihre Gesundheit zerstört. Sie litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen und Angstzuständen. Ihre Klage auf mindestens 75.000 Euro Schmerzensgeld stützte sie auf die allgemeine Deliktische Haftung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist (§ 823 Abs. 1 BGB). Wer das Leben, den Körper oder die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. Sie argumentierte weiter, der Mann habe sich durch das Wegschaffen des Körpers wegen Störung der Totenruhe strafbar gemacht. Ein solches Strafgesetz zu verletzen, kann ebenfalls Schadensersatzansprüche auslösen (§ 823 Abs….