Die Bauaufsichtsbehörde forderte den sofortigen Rückbau einer 1,90 Meter hohen, grenzständigen Anlage – es ging um die Einhaltung von Abstandsflächen für Terrassen über einem Meter. Das Problem: Wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe stufte das Gericht die Geländeaufschüttung als Bauwerk mit gebäudegleicher Wirkung ein. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 L 17/23.Z | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 12. Oktober 2023
- Aktenzeichen: 2 L 17/23.Z
- Verfahren: Zulassungsverfahren zur Berufung
- Rechtsbereiche: Öffentliches Baurecht, Verwaltungsrecht
- Das Problem: Ein Grundstückseigentümer errichtete eine mehr als 1 Meter hohe Aufschüttung mit Stützmauern, die die Baubehörde als illegale Terrasse einstufte. Die Behörde forderte den vollständigen Rückbau der Anlage, wogegen sich der Eigentümer wehrte.
- Die Rechtsfrage: Löst eine Aufschüttung, die höher als 1 Meter über dem natürlichen Boden ist, die gleichen Abstandsregeln aus wie ein Gebäude, wenn sie als Terrasse genutzt wird?
- Die Antwort: Ja. Die Struktur ist eine Terrasse, da sie unmittelbar an das Haus anschließt und zum Aufenthalt genutzt wurde. Weil sie bis zu 1,90 Meter hoch war, erzeugte sie gebäudeähnliche Wirkungen. Sie verletzte die erforderlichen Abstandsflächen, daher ist der angeordnete Rückbau rechtmäßig.
- Die Bedeutung: Terrassen, die mehr als 1 Meter über das natürliche Geländeniveau ragen, lösen Abstandsflächenpflichten aus und können nicht direkt an der Grundstücksgrenze gebaut werden. Eigentümer müssen bei illegalen Bauten selbst für die technische Sicherheit des Rückbaus sorgen.
Der Fall vor Gericht
Wann wird ein Haufen Erde zu einem Bauwerk?
Ein Hausbesitzer in Sachsen-Anhalt wollte seinen Garten an einem Hang ebnen. Er schüttete Erde auf, befestigte sie mit Mauern und legte Pflastersteine. Für ihn war das eine simple Geländeaufschüttung. Für die Baubehörde war es etwas völlig anderes: eine Terrasse. Dieser Unterschied in der Definition führte zu einem großen Problem – einer Abrissverfügung. Die Frage, die am Ende vor dem Oberverwaltungsgericht landete, war so fundamental wie knifflig: Wann genau verwandelt sich eine Aufschüttung in eine bauliche Anlage mit den Pflichten eines Gebäudes?
Warum wurde aus der Aufschüttung plötzlich eine Terrasse?
Der Eigentümer hatte auf seinem Hanggrundstück ein zweigeschossiges Einfamilienhaus errichtet. Um den Außenbereich besser nutzen zu können, schüttete er an der Grenze zum westlichen Nachbarn Erde auf. Das Ergebnis war eine ebene Fläche, die er pflasterte, mit einem Sichtschutz versah und mit Gartenmöbeln bestückte. Der Clou: Man konnte diesen Bereich fast ebenerdig vom Obergeschoss des Hauses aus betreten. Für den Eigentümer eine logische und notwendige Maßnahme zur Hangsicherung. Die Bauaufsichtsbehörde sah die Sache anders. Sie prüfte nicht die Absicht des Bauherrn, sondern die objektiven Fakten. Und diese sprachen eine klare Sprache. Das Gericht folgte dieser Einschätzung und griff auf eine bewährte Definition zurück: Eine Terrasse ist eine Fläche außerhalb eines Gebäudes, die von dort aus gut erreichbar ist und zum Aufenthalt im Freien dient. Die gepflasterte Fläche des Eigentümers erfüllte alle Kriterien. Sie schloss direkt an das Haus an, war bequem vom Obergeschoss zugänglich, befestigt und nachweislich mit Tisch und Stühlen möbliert….