Ein Bewährungshelfer beging in der laufenden Frist einen gemeinschaftlichen Diebstahl, was sofort den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zur Folge hatte. Trotz der drohenden Haftstrafe lehnte das Oberlandesgericht die Bestellung eines Pflichtverteidigers rigoros ab. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ws 495/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 11.12.2024
- Aktenzeichen: 1 Ws 495/24
- Verfahren: Beschwerde gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafvollstreckung, Prozessrecht
- Das Problem: Ein Mann war wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er beging während der Bewährungszeit mehrfach neue Straftaten. Das Gericht widerrief daraufhin die Bewährung und lehnte seinen Wunsch nach einem Pflichtverteidiger ab.
- Die Rechtsfrage: War der Widerruf der Bewährung wegen der neuen Straftaten erlaubt? Muss das Gericht in einem solchen Fall einen Pflichtverteidiger bestellen?
- Die Antwort: Nein. Die Beschwerde des Verurteilten wurde als unbegründet abgelehnt. Der Widerruf war richtig, da die neuen Straftaten die Erwartung künftiger Straffreiheit zerstörten. Ein Pflichtverteidiger war nicht notwendig, weil der Fall rechtlich nicht kompliziert war.
- Die Bedeutung: Wer in der Bewährungszeit erneut straffällig wird, muss die ursprünglich ausgesetzte Strafe verbüßen. Das Gericht prüft nachträgliche Anstrengungen zur Suchtbewältigung, sieht diese aber meist als nicht ausreichend an. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Vollstreckungsverfahren ist nur in seltenen Ausnahmefällen nötig.
Der Fall vor Gericht
Worum ging es in diesem Fall auf den Punkt gebracht?
Ein verurteilter Mann fand sich in einem Kampf an zwei Fronten wieder. Die erste Schlacht galt dem Widerruf seiner Bewährung – eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten stand im Raum. Die zweite, subtilere Schlacht drehte sich um das Recht auf einen vom Staat bezahlten Anwalt, der ihm im ersten Kampf beistehen sollte. Der Mann hatte während seiner Bewährungszeit neue Straftaten begangen. Dieser Fakt war unbestritten. Seine Verteidigung baute auf einem anderen Argument auf: Seine frischen Bemühungen, seine Drogensucht zu bekämpfen, würden alles ändern. Das Gericht sah die Sache anders. Der Fall eskalierte bis zum Oberlandesgericht und verdichtete sich zu zwei scharfen Fragen: Wann macht eine neue Straftat eine Bewährung unumkehrbar zunichte? Und ist der Kampf gegen den Widerruf so komplex, dass er einen Pflichtverteidiger rechtfertigt?
Warum wurde ihm ein Pflichtverteidiger verweigert?
Das Oberlandesgericht (OLG) lehnte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ab – und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz. Die Begründung folgt einer strengen juristischen Logik. Ein Recht auf einen Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren besteht nicht automatisch. Es ist die Ausnahme, nicht die Regel. Das Gericht wendet die Vorschrift für die Beiordnung eines Verteidigers (§ 140 Abs. 2 der Strafprozessordnung, StPO) hier nur sinngemäß an. Die Hürden sind hoch. Ein Verteidiger wird nur bestellt, wenn der Fall besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist. Ein typischer Bewährungswiderruf gehört nicht dazu. Die entscheidende Frage ist meist simpel: Hat der Verurteilte in der Bewährungszeit eine neue Straftat begangen? Die Antwort darauf war im vorliegenden Fall ein klares Ja….