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Gesteigerte Rücksichtnahmepflichten von Tendenzträgern: Kündigung ohne Abmahnung

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Trotz verfassungsrechtlich garantierter Meinungsfreiheit wurde die Kündigung eines Forschers bestätigt, weil für ihn die gesteigerte Rücksichtnahmepflichten von Tendenzträgern galten. Obwohl der Arbeitgeber die Frist für die sofortige Kündigung verpasste, musste er den Wissenschaftler nicht wieder einstellen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ca 378/24 | | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Halle (Saale)
  • Datum: 10.12.2024
  • Aktenzeichen: 1 Ca 378/24
  • Verfahren: Kündigungsschutzverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Meinungsfreiheit

  • Das Problem: Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter veröffentlichte in sozialen Medien kritische Äußerungen über Israel. Sein Arbeitgeber, ein Forschungsinstitut mit internationalen Kooperationen, kündigte ihm fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Mitarbeiter klagte gegen beide Kündigungen.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein wissenschaftlicher Träger einem Projektleiter wegen seiner politischen Äußerungen kündigen, wenn diese die Kooperationen und die Grundsatzausrichtung des Instituts gefährden?
  • Die Antwort: Die fristlose Kündigung war unwirksam, weil der Arbeitgeber die Frist für den Kündigungsausspruch versäumte. Die hilfsweise ordentliche Kündigung war jedoch wirksam. Das Gericht sah in den Äußerungen eine schwere Pflichtverletzung gegen die Interessen des Instituts.
  • Die Bedeutung: Beschäftigte in leitender Funktion bei Einrichtungen mit besonderer Ausrichtung (Tendenzbetrieben) unterliegen auch privat erhöhten Rücksichtnahmepflichten. Schwerwiegende Äußerungen, die den Institutszielen widersprechen und Beziehungen schädigen, können eine fristgerechte Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

Der Fall vor Gericht


Warum ein Wissenschaftler trotz unwirksamer Kündigung seinen Job verlor

Ein international profilierter Wissenschaftler verliert seinen Job wegen umstrittener Social-Media-Posts zum Gaza-Krieg. Er klagt vor dem Arbeitsgericht Halle – und bekommt in einem zentralen Punkt recht, verlässt den Gerichtssaal aber am Ende doch als Verlierer. Das Gericht zog eine feine, aber entscheidende Linie: zwischen einer Kündigung, die sofort wirken soll, und einer, die eine Frist einhält. Ein juristisches Detail, das den Unterschied zwischen einem Teilsieg und einer endgültigen Niederlage machte.

Was war der Auslöser für die Kündigung?

Der Ethnologe war als Projektleiter bei einem renommierten Max-Planck-Institut beschäftigt. Sein Arbeitgeber, die Max-Planck-Gesellschaft, fördert die Wissenschaft, hat sich dem Kampf gegen Diskriminierung verschrieben und pflegt enge Kooperationen mit israelischen Forschungseinrichtungen. Im Arbeitsvertrag war der Forscher auf die „Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ verpflichtet worden. Nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober 2023 veröffentlichte der Wissenschaftler auf Facebook und der Plattform X mehrere Texte. Darin beschrieb er Israel als Besatzungsmacht und als „zionistisches ethno-nationalistisches Projekt“. Diese Äußerungen blieben nicht unbemerkt. Nach einem Gespräch im November 2023 und einem Zeitungsartikel im Februar 2024 zog die Institutsleitung die Reißleine. Sie kündigte dem Wissenschaftler am 7. Februar 2024 außerordentlich und fristlos. Vorsorglich sprach sie auch eine ordentliche Kündigung aus, die das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der tariflichen Frist beenden sollte. Das Institut argumentierte, die Posts seien keine legitime Kritik mehr….


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